Dienstag, 25. August 2015

Der Dursthunger.

Eine Woche ist es jetzt schon her, dass Johann eingeschlafen ist. Unvorstellbar, dass danach wirklich Zeit vergangen ist. Ich frag mich wie das sein kann, wo doch jemand Essentielles in der Welt fehlt?

Wir lenken uns irgendwie ab. Mit der Planung der Beerdigung zum Beispiel. Das klappt ganz gut, ich  bin im Bastelfieber: Malen, Schneiden, Schreiben, Kleben,... Und zwischendrin mal eine neue Kerze anzünden, weil die alte schon wieder runtergebrannt ist.

Ich hab oft Hunger oder Durst, dann ess ich was und trink was. Aber irgendwie hilft das nicht. Dann merk ich, es ist Johann der fehlt. Ein Dursthunger, der sich niemals stillen lässt. Manchmal schau ich die Fotos an und denke, er lächelt. Oder sieht er doch eher traurig aus? Ist er vielleicht doch enttäuscht, dass wir ihn so schnell aufgegeben haben? Aber nein, es war die richtige Entscheidung, dieses "Leben" hätte er nicht gewollt, ganz bestimmt nicht. 

Es gibt solche Tage und solche, das hab ich schnell gemerkt. An manchen Tagen halte ich nicht mal die Frage aus, ob ich beim Vorbereiten des Essens mithelfen kann und eine Möhre schäle. Das ist zu viel, das kann ich nicht. Ich kann doch jetzt nicht einfach eine Möhre schälen, ich hab gerade mein Kind verloren! 
An anderen Tagen halte ich es sogar aus, mit dem Bestatter über die Beerdigung zu reden, danach noch im Bastelladen einkaufen zu gehen, Menschen zu treffen, mich zu unterhalten und ihnen zuzuhören. Wenn ich dann nach hause komme, fühle ich mich, als wäre ich eine Woche durchgängig arbeiten gewesen. 

Wie es mir körperlich geht, wurde ich jetzt öfters gefragt. Körperlich? Wieso? Achso, ja, da war doch was! Ich kann mich gar nicht mehr so richtig daran erinnern, es ist, als wäre nie etwas gewesen. Ich könnte die Schmerzen nun nicht mehr beschreiben. Ich weiß noch, dass ich mich ausgeliefert gefühlt habe, aber selbst dieses Gefühl verschwindet immer mehr. Mein Mann sagt, ich hätte ihn währenddessen oft voller Angst angeschaut, mit einem flehenden Blick, aber ich wäre ja auch völlig zugedröhnt gewesen. Dieser Blick, das hätte ihm am meisten weh getan. Und dabei hat er Tränen in den Augen. 

Am 7.9. wird die Beerdigung sein. Ich weiß noch nicht, wie ich diesen Tag überstehen soll. Wir wünschen uns eine schöne, bunte Feier für Johann. Und ich habe ein bisschen Angst, dass ich vor lauter Trauer gar nicht schön und bunt sein kann. Aber zumindest an diesem einen Tag möchte ich es sein. Für Johann, weil er auch ein Grund zur Freude ist.

1 Kommentar:

  1. Wenn ihr es nicht schafft, eine schöne, bunte Beerdigung zu machen:
    Gesteht euch das bitte zu.
    Ich will dir natürlich nicht reinreden, wenn du eine fröhliche Beerdigung brauchst und dir wünschst, mach sie auf jn Fall! Aber wenn du merkst, es geht nicht, du bist zu traurig, schwer und schwarz in dir drin, und brauchst eine entsprechende Trauerfeier, dann macht eine.
    Und es ist auch ok, beides zu wollen. Eine Trauerfeier für diesen frühen, schweren Abschied einerseits und andererseits eine Riesenparty mit Torte und Lichterketten für euer tollstes, süßestes perfektes Kind. Mit Musik und Tanz und jedem, der ihn liebt und der sich wie bekoppt auf ihn gefreut hat; weil er genau solch eine Feier verdient hat, und weil ihr als stolze, tolle Eltern sie wollt und verdient habt.
    Aber vielleicht muss die wannanders stattfinden. An seinem 1-Monat-Geburtstag. Oder an deinem Lieblingstag oder sonstwann. Es muss nicht am Tag der Beerdigung sein, wenn ihr das gerade dann nicht schafft.

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