Sonntag, 23. Oktober 2016

Selma

Einige wissen es ja schon und manche fragen sich vielleicht, warum hier in der letzten Zeit so wenig (also eigentlich ja gar nix) los ist und es gibt einen wundervollen Grund dafür, denn seit dem 16.10. ist unsere kleine Tochter Selma auf der Welt und beansprucht unsere volle Aufmerksamkeit!

Nachdem sich die letzten Wochen wie Kaugummi zogen und die Wehwehchen ständig mehr wurden, ist es letztlich doch eine Einleitung geworden. Dass ich es schaffe, sechs Tage über den Termin zu gehen, hätte ich niemals gedacht, war ich doch zu Beginn der Schwangerschaft davon überzeugt, spätestens am Termin einleiten zu lassen, aus purer Angst, auf den letzten Metern könne noch etwas schief gehen. Und es gab Momente in denen ich dachte: Holt mir jetzt das Kind hier raus, oder ich dreh durch! Trotzdem fehlte mir dann doch der Mut, es auszusprechen, wenn die Ärztin im Krankenhaus aller zwei Tage fragte, ob wir uns entschieden hätten. Und so schleppte ich mich irgendwie von Tag zu Tag, bis zum vierten Tag nach dem voraussichtlichen Entbindungstermin, als die Ärztin meinen Muttermund abtastete und sagte: "Da tut sich was! Wir sehen uns sicher heute noch wieder, spätestens morgen!" Das gab mir, zumindest an diesem Freitag, noch einen kleinen Energieschub, der sich dann am Samstag in Frust umwandelte, weil einfach nichts passierte und ich nach der Aussage noch mehr wartete. Als wir also dann am Sonntag wieder zur regulären Untersuchung ins Krankenhaus kamen, war ich genau in der richtigen Stimmung, um die Frage nach einer Einleitung zu bejahen. (Die Ärztin begrüßte uns übrigens mit den Worten: "Also meine Kollegin hätte bestimmt hundert Euro gewettet, dass Sie am Freitag wiederkommen!" - Ich sollte öfter Wettchancen nutzen!) Um 14 Uhr klingelten wir also an der Tür zu den Kreißsälen und ich kam mir ein bisschen seltsam vor bei der Vorstellung, eventuell noch am selben Tag meine Tochter im Arm halten zu können. 

Halb drei hing ich also am Wehentropf und der wirkte auch direkt. Es stellte sich nun die Frage nach Schmerzmitteln. Eine PDA kam für mich nicht in Frage, ich hatte das bei Johann als sehr unangenehm in Erinnerung. Andere Schmerzmittel hätten allerdings die Nebenwirkung gehabt, mich zu "benebeln" und da ein bewusstes Erleben der Geburt helfen kann, das erste Geburtserlebnis zu verarbeiten, konnte ich das also auch ausschließen, ließ mir aber die Option der PDA offen, denn ich wusste ja nicht, was mich noch so erwartete. Die ersten zwei Stunden hab ich als relativ harmlos in Erinnerung. Also ja, es tat schon über die Maßen weh, aber es ließ sich aushalten. Irgendwann sprengte die Hebamme die Fruchtblase und ab da wurde es richtig schlimm. Ich weiß nicht, ob tatsächlich zu diesem Zeitpunkt keine PDA mehr möglich gewesen wäre, ich hab gar nicht gefragt, weil die Vorstellung mich dafür hinzusetzen und still halten zu müssen, mich so abschreckte. Irgendwie dachte ich dann auch, da muss ich jetzt einfach durch. Eine weitere Stunde später (also gefühlt, für auf die Uhr schauen war keine Zeit) fielen die Herztöne plötzlich ab und ich hatte das Gefühl, dass es nicht mehr so recht vorwärts ging. Die Ärztin wurde dann dazu geholt und ich wusste so langsam nicht mehr, woher ich die Kraft eigentlich noch nehmen sollte. Als die Herztöne weiter abnahmen, war mein einziger Gedanke, dass mir noch ein Kind stirbt, wenn ich mich jetzt nicht zusammenreiße. Irgendwann war dann endlich das Köpfchen da, allerdings steckte sie mit ihren Schultern fest, was dann auch nochmal eine Menge Kraft gekostet hat. Und dann lag sie da, schreiend und wunderschön, auf meiner Brust und ich hab gar nicht richtig begreifen können, dass ich da liege, gerade ein Kind geboren habe und dass das wirklich unsere Tochter ist, dieses kleine Bündel auf mir. Alles andere, die Nachgeburt, das Nähen, passierte, ohne dass ich davon groß Notiz nahm. 

Und jetzt ist bereits eine ganze Woche vergangen. Eine Woche voller Glücksgefühle, großer Verliebtheit, Tränen, Überforderung und Schlafmangel. Eine Zeit der ersten Male. Viele erste Male liegen noch vor uns und wir freuen uns darauf, sie mit Selma erleben zu können, Johann dabei immer tief im Herzen.

Dienstag, 20. September 2016

Bald!

Seit gestern wäre unsere Tochter kein Frühchen mehr, würde sie jetzt geboren werden. Schon ein ziemlich seltsames Gefühl, ein fertiges Baby im Bauch herumzutragen, dass sich jederzeit dazu entscheiden könnte, selbigen zu verlassen. Meine Gefühle schwanken zwischen Panik, Ungeduld und totaler Neugier. Wir hatten inzwischen zwei Termine in der Klinik unserer Wahl und sind nach wie vor davon überzeugt, dass das die richtige Wahl ist, auch wenn wir eine längere Fahrt (ca. 40 Minuten) auf uns nehmen müssen. Die Ärztin mit der wir die Geburtsplanung gemacht haben, hat schon gesagt, dass sie nach unserer Vorgeschichte sehr darauf achten werden, dass die jetzige Geburt ein positives Erlebnis wird. (Also das machen sie sicher bei allen anderen werdenden Eltern auch, aber naja, ihr wisst schon!) Gestern habe ich nochmal angesprochen, dass ich mir nicht vorstellen kann, mit einer anderen Frau im Zimmer zu liegen, da ich nicht weiß, wie sich die Geburt bei mir auswirkt. Ich könnte mir nämlich durchaus vorstellen, dass es retraumatisierend sein kann. Und ich möchte einfach mit meinem Mann allein sein können, wenn uns beiden vielleicht nach all der Anspannung doch nach Heulen zumute ist. Uns wurde sofort zugesichert, dass ich ein Einzelzimmer (bzw. ein Familienzimmer) bekomme und uns wurde auch psychologische Betreuung bei Bedarf angeboten. Mir hilft das schon im Vorfeld sehr, ich hab richtig gemerkt, wie gestern eine gewisse Anspannung abfiel, allein weil ich wusste, ich muss nicht mit einer anderen Frau im Zimmer liegen und kann auf mein Tischchen ein Foto von Johann stellen, ohne dass sich davon jemand gestört fühlt.

Ansonsten tut sich hier rein gar nichts. Abgesehen von meinem Muttermund, der schon seit ein paar Wochen leicht geöffnet ist. So richtig ins Becken gerutscht ist die Kleine auch noch nicht, ich hab keine (spürbaren) Wehen und momentan auch nicht das Gefühl, es könnte ihr im Bauch bald zu eng werden. Vielmehr kommt es mir vor, als würde sie sich einfach ihren Platz machen ohne Rücksicht auf Mamas Bauchdecke, die ist ja schließlich dehnbar und da geht bestimmt auch noch was! Inzwischen hab ich dafür eine Menge (End-)Schwangerschaftsbeschwerden, die mich manchmal zum Verzweifeln bringen. Besonders das Sodbrennen ist so eine Sache. Jeden Abend vor dem Schlafen gibts für mich zwei Esslöffel trockene Haferflocken (ja, es ist so eklig, wie man es sich vorstellt!) und ein kleines Glas Milch. Das hilft manchmal, aber leider nicht immer. Um mich im Bett von einer Seite auf die andere zu drehen, brauche ich mehrere Minuten, vom Aufstehen aus dem Bett müssen wir nicht erst reden. Letztens haben meine Hüften so geschmerzt, dass ich die Schmerzen in meinen Traum eingebunden hab und letztlich davon wach wurde. Früh sind meine Finger quasi nicht beweglich, das dauert immer erstmal ne halbe Stunde, bis die Gelenke wieder funktionieren. Hin und wieder überkommt mich völlige Panik vor dem Leben mit Kind und vor allem vor den ersten Wochen. Hauptproblem: Was soll ich essen? Ja, dieses Thema zieht sich bei mir durch die Schwangerschaft wie ein roter Faden. Anfangs liefen die Tränen, weil der Kühlschrankinhalt der falsche war, jetzt laufen sie, weil ich nicht weiß, wo ich in den ersten Wochen etwas zu Essen herbekomme. (Unser Gefrierfach gibt da größentechnisch leider nicht besonders viel her, falls jetzt jemand gleich auf die Einfrier-Idee kommt.) Aber wirklich die allerallerschlimmste Schwangerschaftsnebenwirkung, die es zum Glück erst seit zwei/drei Wochen gibt, die mir aber unfassbar unangenehm ist: Käsefüße! Ich schäme mich wirklich so dafür, dass ich es erst nicht schreiben wollte. Aber ich bin ja für einen offenen Umgang mit all dem, es geht ja auch zum Glück wieder weg! Also an all die Freunde, Familienmitglieder und sonstige Personen, mit denen ich in den letzten Wochen so zu tun hatte und die sich gewundert haben: Ja, das war ich! Und ich kann euch versichern, ich habe mir kurz vorher die Füße gründlichst mit Seife gewaschen und sogar ein Fußdeo benutzt, das penetrant nach Zitrusfrüchten riecht. Es hat nichts genützt und ich entschuldige mich!

So. Und jetzt bin ich sehr gespannt, wann hier der nächste Eintrag stehen wird, denn ich denke, das wird dann der "Juhu - unsere Tochter ist da!"- Eintrag werden. Was bin ich neugierig auf dieses kleine Wesen!

Mittwoch, 31. August 2016

Endspurt.

Naja gut, noch nicht ganz. Theoretisch sind es noch 40 Tage, wenn sie zu den 2-4% der Kinder gehört, die pünktlich zum Termin kommen. Meinetwegen könnte es ruhig schon ein bisschen eher losgehen, denn, abgesehen von den körperlichen Beschwerden, merke ich auch wie so langsam meine Ängste wieder etwas zunehmen. Bei der letzten Vorsorgeuntersuchung gab es zwar keinen Grund zur Besorgnis, trotzdem steckt die Angst einfach in mir, da kann ich mir wohl noch so oft irgendwelche statistischen Fakten einreden.

Wenn man nach den letzten Messungen von Montag geht, ist die Kleine jetzt ungefähr 47 cm groß und wiegt um die 2500 Gramm. Ich finde das klingt schon ganz schön nach fertigem Baby. 47 cm war die Größe meines Mannes, als er auf die Welt kam. Auf dem Ultraschall sah sie auch schon schön babyspeckig aus, wie ein richtiges Baby eben. Was ein bisschen auffällig war, war mein Muttermund, der schon leicht geöffnet ist. Das ist allerdings auch nicht weiter tragisch, ich soll einfach ein bisschen langsam machen, langes Gehen oder Stehen vermeiden und mich immer wieder hinlegen zwischendurch. Man könnte jetzt denken, und ich denke das eigentlich auch: Juhuuuu, offizielle Gammelerlaubnis! Leider ist das nicht ganz so einfach, wenn man schon so walrossig ist, denn viele bequeme Liegepositionen gibt's nicht mehr, eigentlich nur noch zwei und die sind irgendwann auch nicht mehr bequem, weil einem irgendwann die Hüfte unheimlich schmerzt. Abgesehen davon hab ich auch mit Sodbrennen zu kämpfen und da ist Liegen eher kontraproduktiv und kann dazu führen, dass man aufwacht, weil man sich an seiner Magensäure verschluckt. Fehlt nur noch, dass ich Wasser in den Füßen und Beinen bekomme und die dann noch hochlagern muss. Dann müsste ich wohl auf der Seite in V-Form liegen, oder mich entscheiden mit welchem Wehwehchen ich eher leben kann.

Ansonsten ist hier soweit alles vorbereitet, nur ein paar Kleinigkeiten fehlen noch. Ein bisschen wirkt das alles noch wie eine Kulisse auf mich, aufgebaut um so zu tun als ob. Mir fehlt ein wenig die Vorstellungskraft dafür, dass da tatsächlich in wenigen Wochen unsere Tochter einziehen wird und dem ganzen Zeug einen Sinn gibt. Und es macht mich unheimlich nervös aus so vielen Gründen, dass ich sie unmöglich hier alle aufzählen kann. Aber ich vermute, das ist etwas, das zumindest einige Mütter von ihren ersten Kindern noch kennen dürften.

Noch kurz zum Schluss: Vielen Dank an alle, die an Johanns Todes- und Geburtstag an uns gedacht haben, Johann Geschenke gemacht haben und ihn auf dem Friedhof besucht haben. Viel größer als vor den Tagen an sich, war meine Angst, dass niemand daran denken könnte und ich bin so erleichtert, dass dem nicht so war. Das hat mir (oder uns) diese Tage nicht nur erträglich gemacht, sondern auch irgendwie schön.

Donnerstag, 18. August 2016

Ein trauriger Jahrestag.

Irgendwie ist es seltsam. Da habe ich in den letzten Wochen ganz oft an den morgigen Tag gedacht, Johanns Geburtstag, und dabei völlig vergessen, dass heute ein ebenso wichtiger Tag ist. Heute ist der Tag, an dem Johann in meinem Bauch eingeschlafen ist. Als mir das heut morgen klar wurde, musste ich erstmal ein paar Tränen vergießen. Aus Trauer, aber auch aus Ärger über mich selbst, dass mir das so untergegangen war. Heute, mit einem neuen Baby im Bauch, kommt es mir umso unvorstellbarer vor, was wir vor einem Jahr erlebt haben. Es ist ganz nah, total greifbar, aber gleichzeitig so weit weg, dass ich mich nur an wenige Dinge erinnern kann. Eines hab ich aber ganz genau im Kopf: Wie ich unter Beruhigungsmitteln in den Behandlungsraum gefahren wurde, mein Mann draußen sitzen bleiben musste und ich nur noch einen Gedanken hatte: "Wenn ich hier raus komme, ist Johann tot!" 

Dass die Entscheidung damals die richtige war, ist mir immer noch klar. Dass eine richtige Entscheidung sich dennoch so falsch und schmerzhaft anfühlen kann, hätte ich nie für möglich gehalten. Unvorstellbar sich dafür zu entscheiden, dass das geliebte Wunschkind sterben soll. Sterben, weil die Alternative ein Leben voll von Schmerz und Leid gewesen wäre, ein Leben, das so oder so viel zu schnell wieder vorbei gewesen wäre, ein Leben, dass das Wort nicht wert gewesen wäre, so schlimm wie klingt. 

Wenn ich mir heute ein Leben mit Johann vorstelle, ist er nicht krank. Er lacht, tobt, lernt wie alle anderen Kinder auch. Er ist glücklich, manchmal traurig oder wütend, hin und wieder tut ihm etwas weh. Aber nie, niemals muss er leiden. Fieber- und Hustensaft, ein Pflaster, tröstende Worte und Umarmungen machen alles wieder gut. Ich weiß, so wäre es nie gekommen, aber das Bild gefällt mir und ich möchte es behalten, genauso wie die Vorstellung, dass er ein ziemlich frecher Junge geworden wäre, mit einem Lachen, das ansteckt, so herzlich,  dass einem warm ums Herz wird. Und wenn ich mir die Fotos von ihm anschaue, kann ich es deutlich sehen. Ich weiß, er wäre so geworden, hätte es diese furchtbare Krankeit nicht gegeben.

Mittwoch, 20. Juli 2016

Ein Jahr - ein Rückblick

Ich kann es gar nicht richtig begreifen, aber ja, es ist nun schon genau ein Jahr her, dass wir in der Pränataldiagnostik saßen und uns der schlimme Verdacht mitgeteilt wurde. Und im Moment häufen sich solche Daten. Ich bin nun in der 29. Schwangerschaftswoche. Vor zwei Tagen war der Tag der Schwangerschaft, an dem ich Johann entbunden hatte, vor drei Tagen der, an dem er von uns gehen musste. Dass wir gerade im Urlaub sind, erinnert mich an unseren letzten Urlaub mit Johann. Gerade ist es einfach wirklich unglaublich nah und präsent und dass Johann bald seinen ersten Geburtstag hat, kommt mir mehr als unrealistisch vor.

In diesem Jahr ist viel passiert. Ich habe etwas überlebt, von dem ich nie dachte, dass ich das kann. Ich weiß noch, wie ich früher oft dachte: "Oh Gott, also wenn mein Kind stirbt, dann will ich auch sterben!" Ich war mir zumindest sicher, dass ich/man mich in diesem Falle einweisen lassen müsste. Das war nicht der Fall. Obwohl ich mich schon für eine eher wehleidige, schwache Person gehalten habe, konnte ich irgendwie dann doch die Ressourcen aufbringen, es so ziemlich unbeschadet zu überstehen. Wobei unbeschadet vielleicht das falsche Wort ist, denn einen Schaden hat es schon angerichtet. Die Narben werden bleiben und weiterhin von Zeit zu Zeit schmerzen, aber das ist okay, ich finde sogar, es wäre seltsam, wäre es nicht so.

Das Jahr hat mich auch verändert. Ich habe Seiten an mir kennengelernt, von denen ich vorher nichts wusste. Ich hatte keine Ahnung wie wütend ich sein kann. Auf ein Schicksal, dass fieser nicht hätte sein können. Auf Personen und Verhaltensweisen, die mir zusätzlichen Schmerz bereitet haben in einer Zeit, in der der Schmerz eh schon kaum zu ertragen war. Aber ich habe dadurch etwas Wichtiges gelernt, nämlich, nicht immer Allem und Jedem mit Verständnis und Nachsicht zu begegnen, schon gar nicht in solch einer Situation. Dadurch ist manch ein Eintrag hier entstanden (ich denke da besonders an einen), der sicher hätte diplomatischer ausgedrückt werden können. Dennoch, obwohl inzwischen Zeit verstrichen ist, kann ich sämtliche Gefühle als wäre es gestern gewesen, nachvollziehen und bin auch irgendwie froh darüber, es eben genau so geschrieben zu haben. Weil es echt ist. Weil es gut tut, es raus zu lassen. Weil ich nicht mehr der Mensch bin, der, egal wie schlecht es ihm geht, alles einfach schluckt nur um des Friedens Willen. Dass Anderen dafür das Verständnis fehlt - gut, damit kann ich leben. Allerdings dann auch sehr gut ohne die Person(en) in meinem Leben. 

Was sich noch geändert hat, ist mein Bedürfnis nach sozialen Kontakten. Ich war schon immer ein Mensch, der viel Zeit für sich brauchte, was möglicherweise auch ein bisschen beruflich bedingt ist. Wenn man sich den ganzen Tag den Mund fusselig redet, ständig irgendetwas schnell entscheiden muss und nicht mal auf der Toilette eine Minute Ruhe hat, weil vor der Tür schon wieder etwas mit Fäusten statt Worten geklärt wird, ist man einfach froh, wenn man nach hause kommt und den Rest des Tages mit sich selbst verbringen kann. Gut, nun war ich ja seit meiner Schwangerschaft mit Johann nicht mehr arbeiten, dieser Aspekt fällt also weg. Trotzdem haben sich meine sozialen Kontakte auf ein Mindestmaß beschränkt. Und das lag nicht etwa daran, dass sich niemand mehr gemeldet hat, plötzlich Freunde "verschwunden" sind, wie man es ja öfter von Menschen in Krisensituationen hört. Ganz im Gegenteil. Ich hatte unglaublich viel Unterstützung, aus dem Weg gegangen wurde mir nicht. Vielleicht auch, weil ich es, wie meine Therapeutin sagt, anderen leicht mache mit mir umzugehen. Ich breche nicht plötzlich in Tränen aus, kann ganz normal darüber sprechen, man kann mich alles fragen und ich freue mich über jegliches Interesse an Johann und allem was damit zu tun hat. Warum die sozialen Kontakte abgenommen haben, lag vor allem Anderen an mir selber. Irgendwie hat es mich angestrengt und das ist auch heute noch so. Egal wie schön und unbeschwert ein Tag mit Familie/Freunden war, wenn ich nach hause komme, bin ich körperlich wie mental komplett im Eimer, zu nix mehr zu gebrauchen und wenn ich danach nicht mindestens einen kompletten Tag habe, den ich auf der Couch verbringen kann, völlig ohne Verpflichtungen, führt das dazu, dass ich unausstehlich werde, mir alles zu viel wird und das sind dann auch die Momente, in denen alles aus mir heraus platzt. Die Trauer sucht sich da irgendwie ihren Weg, bei mir über die Ausgelaugtheit nach sozialen Kontakten. Es wird langsam besser, aber wirklich nur sehr langsam und ich bin auch froh, dass ich momentan wenigstens nicht den Zwang habe, arbeiten gehen zu müssen, das würde mich vollends überfordern. Wie viel davon nun auch schwangerschaftsbedingt ist, weiß ich nicht, aber das spielt sicher mit rein.

Was mir in dem Jahr, besonders am Anfang, wirklich richtig gut getan hat, war die "Arbeit" mit den Flüchtlingskindern und in dem Zusammenhang das Zusammensein mit ein paar bestimmten Menschen, die mir einfach mit ihrer unglaublich herzlichen und liebevollen Art schon unheimlich geholfen haben. Und auch, wenn wir uns jetzt schon zum Teil länger nicht gesehen haben, möchte ich dafür mal Danke sagen! Genauso wie den vielen, eigentlich völlig fremden Menschen aus einem Internetforum, die mit einer riesigen finanziellen Hilfe letztes Jahr der Grund waren, warum unsere Feier für Johann so stattfinden konnte, wie wir uns das vorgestellt hatten. Ich finde das immer noch überwältigend und alles andere als selbstverständlich. Meiner Familie und allen anderen Freunden, die uns auf welche Weise auch immer, unterstützt haben, hier auch noch einmal mein/unser Dank! Dass man so eine heftige Zeit durchstehen kann, ist eigentlich nur mit Unterstützung möglich und ich hoffe, wir können euch dafür irgendwie und irgendwann etwas zurück geben.
Die ein oder andere Person, die sich plötzlich aus meinem Leben entfernt hat, gibt es zwar ganz vereinzelt auch, aber dafür sind andere, tiefere Kontakte entstanden, die die Enttäuschung darüber ein bisschen mindern.

Nun steuern wir mit großen Schritten auf Johanns ersten Geburtstag zu und das wird sicher nochmal eine sehr schmerzhafte Zeit werden. Gleichzeitig freuen wir uns auf die Geburt unserer Tochter im Oktober. Diese Spannbreite an Gefühlen zerreißt mich manchmal förmlich. Derjenige, der das wohl am meisten zu spüren bekommt, ist mein Mann. Und wohl auch die einzige Person, die es schafft mich in solchen Momenten irgendwie wieder zusammenzupuzzeln. Dafür auch mal ein ganz großes Danke! Und, Achtung es wird kitschig: Ich liebe dich unheimlich!

Samstag, 11. Juni 2016

Mal etwas Anderes.

Heute mag ich mal etwas ansprechen, das mir schon eine ganze Weile am Herzen liegt, eigentlich sogar schon seit ich mit Johann schwanger war. 

Ich war noch nie jemand, der sich um seine Figur irgendeinen Kopf gemacht hat. Das lag wohl einfach daran, dass ich das Glück hatte, dem gängigen Figurideal zu entsprechen. Nun bin ich schwanger, ich nehme zu und mein Körper verändert sich, soweit ja alles völlig normal und gut. Was ich aber vollkommen unterschätzt habe, ist, dass der Körper einer Schwangeren plötzlich zum Objekt des Interesses sämtlicher Menschen um sie herum wird und welches Ausmaß das annimmt. Das geht soweit, dass einem (sogar fremde) Leute ungefragt an den Bauch fassen. Das blieb mir bisher zum Glück erspart, wohl, weil der Bauch noch nicht so riesig ist, aber fragt mal Frauen, die schon Kinder haben, die ein oder andere wird da sicher was zu erzählen wissen. 
Mir geht es heute aber besonders um diejenigen, die denken, sie müssten meine Gewichtszunahme kommentieren, in einer respektlosen Art und Weise, dass mir meist keine passende Antwort dazu einfällt. In meiner Welt war das bisher nämlich einfach so, dass ich dachte, wenn man schwanger ist, nimmt man zu, is' halt so, das weiß doch jeder. Ich wusste nicht, dass man sich dann anhören muss, dass man "richtig dick" im Gesichtt geworden sei und einem "das Füllige" stünde. Ich würde eigentlich gern meine Lockerheit mit diesem Thema beibehalten. Ich bewerte Menschen nicht nach solchen Maßstäben und erwarte das auch von meiner Umwelt. Punkt. Das Problem ist aber, dass ich inzwischen selbst vor dem Spiegel stehe und denke: "Boah, voll fett ey!", obwohl ich weiß, dass meine Gewichtszunahme vollkommen im Rahmen liegt. Und das ärgert mich. Einerseits ärgere ich mich über mich selbst, weil ich die Kommentare nicht einfach überhören kann, obwohl ich es so gern möchte. Andererseits macht es mich wütend, dass sowas überhaupt gesagt wird. Man könnte ja auch einfach etwas Nettes sagen. Und nein, "das Füllige steht dir" ist nicht nett, sondern maximal ein Beispiel für "das Gegenteil von gut ist gut gemeint"! Und wenn einem nix Nettes einfällt, ist es auch nicht schlimm, dann sagt man eben gar nix oder redet übers Wetter.
Ich möchte auch nicht, dass nach der Geburt bewertet wird, wie schnell ich wieder "wie vorher" aussehe und was ich dafür tu oder lasse. Es geht schlichtweg niemanden etwas an. In den Wochen nach der Geburt kann es ja sogar ganz eventuell auch sein, dass man vielleicht andere Sorgen hat. 

Wie auch immer, es musste einfach raus jetzt und ich hoffe echt, ich bleibe in nächster Zeit (gerne auch für immer) von solchen Kommentaren verschont. Ich mache mir schon so zu viele Gedanken bezüglich der Schwangerschaft, ich möchte nicht noch zusätzlichen Ballast (haha, Wortwitz) mit mir rumschleppen, nur weil irgendwer denkt, ich hätte zuhause weder Spiegel noch Waage. Wenn ich zu viel oder zu wenig zunehme und meine Ärztin gesundheitliche Bedenken äußert, ist das etwas Anderes. Alle Anderen möchte ich doch bitten, einfach ihre Klappe zu halten, wenn ihnen nix Besserers einfällt.

Dienstag, 31. Mai 2016

Manchmal fällt mir keine passende Überschrift ein.

Der Bauch wächst und das ziemlich rasant. Irgendwie geht jetzt doch alles so schnell, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass wir ständig unterwegs und kaum zu hause sind. Manchmal wird mir das auch zu viel. Ich merk es oft, wenn wir dann wieder zu hause ankommen und ich wegen Kleinigkeiten heule und den Tag danach komplett verschlafe. Ob das nun an der Schwangerschaft liegt oder einfach an allem, was uns so innerhalb des letzten Jahres passiert ist, weiß ich nicht, aber ich komme sehr schnell an meine Grenzen. Dazu kam dann in den letzten zwei Wochen auch eine größere Anspannung, da uns ja wieder ein großer Organultraschall in der Pränataldiagnostik bevor stand. In den Tagen zuvor war es auch wieder ziemlich ruhig im Bauch, das hat nun nicht gerade dazu beigetragen, dass ich mal ein bisschen gelassener werde. Als ich dann aber im Behandlungsraum auf der Liege lag, wurde wieder kräftig geboxt. Oder getreten? Ich kann das irgendwie noch nicht unterscheiden. Der Arzt war wie immer die Ruhe in Person und erklärte alles ganz genau. Selbst er, der eigentlich den ganzen Tag nix anderes macht, als zu schallen, war ganz verzückt, als die Kleine die Zunge rausstreckte, auf ihrer Hand herumkaute und am Ende nochmal  "winkte". Was aber viel wichtiger ist: Es sieht alles gut aus und es gibt überhaupt keinen Anlass zur Sorge! Ende Juli dürfen wir nochmal kommen um ganz sicher zu gehen, dass sich am Herzen nicht doch noch etwas entwickelt hat, wie bei Johann damals, aber das hält der Arzt für nahezu ausgeschlossen. 

So ganz langsam kann ich mich nun auch darauf einlassen. Ich merk's vor allem daran, dass ich am liebsten jetzt schon das Kinderzimmer her- und einrichten würde. Sogar ein Babybett ist schon bestellt wurde gerade geliefert, das wäre vor einem Monat noch undenkbar gewesen. Da dachte ich, ich will das alles erst, wenn das Baby da ist. 

Und obwohl (oder gerade weil?) die neue Schwangerschaft nun so präsent ist, denk ich in letzter Zeit ganz oft darüber nach, ob ich auch für beide eine gute Mutter sein kann? Waren wir oft genug am Grab? Hab ich oft genug an Johann gedacht oder vernachlässige ich ihn? Klar ist er auch immer irgendwie "da" und egal wohin wir reisen, wir packen immer eine kleine Laterne und genügend Teelichter ein, dass nachts immer ein Licht für ihn brennt. Aber reicht das? Und wie wird ein Kind aufwachsen, das einen so besonderen großen Bruder hat? Welche Einstellung wird es mal zum Leben haben und zum Tod? Welche Einstellung hab ich eigentlich dazu? 

Mittwoch, 11. Mai 2016

Fast-Halbzeit.

Nun sind schon wieder einige Wochen vergangen und die Zeit raste quasi an mir vorbei. Es gab immer irgendwas zu tun, wir waren viel unterwegs und nun bin ich plötzlich schon in der 19. Woche. Zwischendrin hatte ich mal ein paar Tage leichte Panik, weil ich das Kind nicht mehr gespürt hab. Aber als wir mit meinen Eltern im Musical saßen und die Musik losging, zappelte es dann doch wieder. Aus Prostest oder Begeisterung - man weiß es nicht!

Gestern hatten wir wieder Vorsorgetermin und ich war das allererste Mal gar nicht angespannt vorher. Ich war sogar gut drauf, obwohl ich sonst schon immer Tage vorher unausstehlich bin. Es war tatsächlich auch alles gut. Kein weißer Punkt am Herzen, keine Arrhythmien im Herzschlag und ein wunderbar vitales Kind (manch einer hat's vielleicht schon bei Instagram gesehen). Und eine Info, die uns natürlich ebenfalls interessiert hat: Es wird ein Mädchen! Johann bekommt also eine kleine Schwester. Irgendetwas sagt mir, dass ich bei einem "Jungs-Outing" nicht so glücklich reagiert hätte. Nicht, weil ich mich nicht darüber gefreut hätte. Es wäre nur einfach näher dran gewesen. So ist der "Abstand" größer, es gibt weniger Vergleichspotential. Das ist natürlich absolut subjektive Wahrnehmung und vielleicht auch schwierig zu erklären, denn im Grunde ist es mir/uns einfach wirklich komplett egal und es klingt so, als würde das der ersten Aussage widersprechen. 

Mit Gefühlswirrwarr ging es dann am späten Abend auch weiter. Ich musste aus einem anderen, völlig nichtigen Grund, heulen und plötzlich brach einfach so viel aus mir heraus. Es war Erleichterung, aber auch Trauer und ja, ein schlechtes Gewissen. Wir hatten uns den ganzen Tag über die Neuigkeiten gefreut und schon hatte ich das Gefühl, ich könnte Johann damit verletzen, ihn hintenanstellen. Dieses Gefühl bleibt wohl auch noch ein bisschen und ich könnte mir vorstellen, dass es spätestens zur Geburt so richtig hochkocht. Ich hab so oft in den letzten Wochen den Satz "Jetzt wird alles gut!" gehört. Nein. Es wird nie wieder alles gut werden. Es wird besser, ja. Aber gut? Alles? Das geht gar nicht! Denn dann müsste Johann gesund sein, hier rumkrabbeln und uns anlachen. Das wird aber nie passieren, also kann auch nicht alles gut werden!

Trotzdem. Ich versuche die Schwangerschaft so normal wie möglich zu durchleben. Zum Schwangerschaftsyoga gehe ich nun auch wieder. Auch wenn es mir manchmal schwer fällt, zwischen all den "normal Schwangeren" zu sitzen, die darüber philosophieren, dass da ja heutzutage viel zu viel untersucht wird und man sich dann total verrückt macht, früher hätte es das auch nicht gegeben und es ging auch, ... Ich halte mich aus solchen Gesprächen grundsätzlich raus, zumindest erstmal. Wenn mich jemand fragt, werde ich aber ehrlich antworten. Trotzdem fühl ich mich in solchen Situationen irgendwie deplaziert und es macht mich einfach traurig, dass solche Geschichten wie die von Johann und den unzähligen anderen Sternenkindern für viele Menschen überhaupt nicht existent sind. Aber vielleicht ist das auch so ein ich-rede-mir-ein-dass-nix-passieren-kann-also-passiert-mir-auch-nix-Ding. Das, was wir alle haben. Mit schlimmen Krankheiten, mit Unfällen, ... Manchmal wünsch ich mir etwas von dieser Naivität zurück.

Mittwoch, 6. April 2016

Kleine Tritte, große Schritte.

Die letzten Wochen waren der Horror. Abgesehen von meiner körperlichen (nein, die Übelkeit hört leider auch diesmal nicht mit der 12. Woche auf), war es doch auch die psychische Verfassung, die mir zu schaffen machte. Insgesamt eine sehr bescheidene Mischung. Die berühmten zwölf Wochen hatte ich schon vor mehr als einer Woche geschafft, aber anstatt wie andere Schwangere aufzuatmen, hab ich nur tief Luft geholt für den heutigen Tag und vor allem für die Zeit danach bis zum Testergebnis.

Als wir heute die Praxis für Pränataldiagnostik betraten, fühlte ich mich schlagartig in den letzten Sommer zurückversetzt und die sehr lange Wartezeit (etwas mehr als 2 Stunden waren es glaub ich) tat ihr Übriges. Der allerschlimmste Moment kam aber, als wir für wenige Minuten allein in dem Behandlungsraum saßen, in dem wir damals die schlechte Nachricht erhielten. Alles erinnerte daran, das Gefühl, mir würde ein ICE Kreise im Kopf fahren, war sofort präsent und ich musste mich wirklich schwer zusammennehmen und die Tränen unterdrücken, weil ich wusste, dass ich nicht mehr aufhören können würde. Zum Glück kam der Arzt recht bald um den Ultraschall zu machen. Zuvor fragte er uns allerdings mehrmals, ob wir die Chorionzottenbiopsie wirklich machen möchten. Wir bejahten das, woraufhin er uns überraschenderweise davon abriet. Da Johann eine Spontanmutation hatte und wir beide genetisch unauffällig seien, wäre die Gefahr einer Komplikation durch die Untersuchung wesentlich höher als die Gefahr, dass diese Mutation noch einmal auftritt, diese wäre nämlich "gleich null". Irgendwie war ich zuerst ganz schön baff und hab mich seltsam gefühlt. Was das bedeutet, wurde mir nur langsam klar, es hat irgendwie gar nicht in meinen Kopf gepasst. Es war ungefähr so, als hätte man mir versucht beizubringen, Bananen wären blau, wo ich doch weiß, dass sie gelb sind. Ich konnte irgendwie nur "Ja, okay, schön." sagen, wohl wenig überzeugend.

Es folgte ein halbstündiger Ultraschall, den wir, wie bei Johann damals auch, auf einem großen Bildschirm mitverfolgen konnten. Wieder so ein Flashback, Tränen unterdrücken! 
Es ist schon erstaunlich, dass man bei einem sieben Zentimeter kleinen Menschlein schon alles so genau erkennen kann. Es wurde wirklich jedes Organ und Körperteil haargenau angeschaut, vermessen, beobachtet, aufgenommen und auch kommentiert. (Manchmal nicht ganz so einfach, denn es war anscheind gerade Spielzeit!) Das Ergebnis unterstrich die Aussage des Arztes nur noch: Ein völlig unauffälliges Baby, besser geht's eigentlich nicht! Also würde eine Chorionzottenbiopsie auch in Hinblick auf andere Chromosomenstörungen überhaupt keinen Sinn ergeben. Jetzt war ich endlich überzeugt. Das Angebot sowohl in der 20. als auch in der 26. Woche noch mal einen solchen Ultraschall machen zu lassen, einfach zur Beruhigung, haben wir trotzdem gerne angenommen.

Unerwartet erleichtert haben wir also heute die Praxis verlassen und nun hoffe ich ganz sehr, dass ich die Schwangerschaft endlich richtig genießen kann. Passend dazu habe ich gestern das erste Mal ein kleines Zappeln im Bauch bemerkt. Wahrscheinlich wollte mir jemand sagen: "Ich bin hier und alles ist in Ordnung! Schau was ich schon kann!" 

Ich weiß, dass uns ganz viele Menschen die Daumen drücken, dass viel an uns gedacht und mitgefiebert wird. Vielen Dank dafür! Ich hab auch in den letzten Wochen unheimlich viele Nachrichten auf sämtlichen"Kanälen" bekommen, die ich noch immer nicht beantwortet habe, was an meinem desolaten Zustand lag. Ich verspreche, dass ich alles beantworten werde in den nächsten zwei Wochen, denn die Übelkeit verringert sich gerade auf ein halbwegs erträgliches Maß und ich hoffe, dass das jetzt auch so bleibt!

Freitag, 18. März 2016

Zwischen den Hürden.

Da ist ja jetzt doch Einiges, was wir inzwischen abhaken können: Der positive Test, der Herzschlag, mehrere Blutungen überstanden, das Baby wächst und gestern gab's den Mutterpass. Rechnerisch bin ich heute bei 10+4, also in der 11. Woche. Das Baby war größentechnisch gestern schon drei Tage weiter. Da hat's wohl noch jemand ganz eilig die nächste Hürde zu nehmen und die ersten zwölf Wochen zu überstehen.

Luftsprünge mach ich keine. Ich bin immer noch neidisch, wenn ich andere Schwangere sehe. Ich befinde mich zwar im gleichen Zustand, aber ich bin ein anderes Schwanger. Ich bin nicht dieses Schwanger, bei dem man in den ersten 12 Wochen zwar ein bisschen Schiss hat, dann aber aus dem Gröbsten raus ist. Ich bin nicht das Schwanger, in dem das größte Übel die Übelkeit ist. Ich bin nicht das Schwanger, bei dem feststeht, dass am Ende ein gesundes Kind bei rauskommt. Und ich habe auch momentan stark das Bedürfnis mich da ganz klar abzugrenzen und den Anderen trotzig zu sagen: Nö, ich bin keine von euch! 
Als ich mit Johann schwanger war, hatte ich dieses Zugehörigkeitsgefühl irgendwann (nach der 12. Woche). Die Vorstellung in einer Gruppe schwangerer Frauen zu sitzen (oder auch Frauen, die bereits Kinder haben), erfüllt mich mit Unbehagen. Sie können sich austauschen, Erfahrungen mitteilen, es herrscht irgendwie so ein Konsens. Ich gehöre da nicht hin. Niemand kann mir erzählen, wie es ist, wenn einem eine Chorionzottenbiopsie bevorsteht, wenn man nach Statistiken sucht, die es nicht gibt, wenn man weiß, was einen erwartet, wenn die Ergebnisse nicht wie gewünscht ausfallen, wenn man wieder in die Praxis muss, in der sich das Leben um 180 Grad gedreht hat, wenn man wieder zwischen Test und Ergebnis Tage (Wochen?) in der Leere hängt. Nicht, dass ich einer meiner Freundinnen wünschen würde, sie hätte Ähnliches erlebt. Aber manchmal, besonders jetzt, hätte ich schon gern jemanden, der das alles kennt und der mich an die Hand nehmen kann.

Die Biopsie wird am 6. April sein. Mir graut schon vor dem Eingriff an sich, aber die Fruchtwassseruntersuchung hab ich ja damals auch überstanden. Ich weiß, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass auch dieses Kind die Genmutation hat und trotzdem hab ich Panik, nicht zuletzt auch vor all den anderen Sachen, die da mit untersucht werden. 

Ich weiß, dass mir viele Menschen gerade Mut machen möchten, mir mitteilen möchten, dass sie fest daran glauben, dass diesmal endlich alles gut wird. Obwohl das sehr lieb gemeint ist, möchte ich es im Moment nicht hören, weil ich immer den Impuls habe zu antworten: Was weißt du schon?

Alles was ich will, ist, dass die nächsten Wochen möglichst schnell vorbei gehen, dass wir auf die Ergebnisse nicht ewig warten müssen und natürlich das Wichtigste: dass das Baby gesund ist. Sollte das so sein, werde ich hoffentlich etwas gelassener in die restliche Schwangerschaft gehen können. 

Mittwoch, 17. Februar 2016

Was sonst noch so los war. Was mir durch den Kopf geht. Und durch den Bauch.

Ich weiß nicht so richtig, wo ich anfangen soll. Sonst sortier ich vor dem Schreiben immer schonmal vor in meinem Kopf, das hab ich heute nicht gemacht, weshalb ich den roten Faden erst noch finden muss. 

Vielleicht fang ich einfach bei meinem Geburtstag an, der Tag, an dem, nach einem positiven Test und leichten Schmierblutungen am Vortag, dann endgültig meine Regel einsetzte. Ich will nicht lange um den heißen Brei reden. Wer sich ein bisschen auskennt mit der ganzen Zyklusgeschichte, weiß, dass der erste Tag der letzten Regel nicht nur dazu genutzt wird, den Zyklustag auszurechnen, sondern auch für eine ganz andere Rechnung, nämlich die der Schwangerschaftwochen. Wir haben also meinen Geburtstagszyklus genutzt, um die letzten beiden Eskimos auftauen und einsetzen zu lassen. Wie immer konnte ich es auch diesmal nicht abwarten mit dem Testen und wider Erwarten schlugen die Tests schon sehr zeitig an. Das Kinderwunschzentrum bestätigte das mit einem Bluttest und eine Woche später mit dem ersten Ultraschallbild. Das war letzte Woche Donnerstag. 

Gestern dann der Schock: Schmierblutungen. Ich hab wirklich versucht einigermaßen ruhig zu bleiben, mir einzureden, dass das überhaupt nichts bedeuten muss, auch wenn alle meine frühen Abgänge genau so angefangen haben. Dann hab ich doch panisch meinen Mann angerufen, der so schnell er konnte nach hause kam. In der Zeit wurde mir klar, dass ich sofort zur Frauenärztin möchte, auch wenn der reguläre Termin erst heute gewesen wäre und auch wenn das knapp werden würde, denn die Sprechstunde ging nur noch zehn Minuten, als wir von zu hause losfuhren. Als wir ankamen, war schon alles dunkel und abgeschlossen. Ich sah mich schon wieder in diesem schrecklichen Krankenhaus hocken, wie bei Johann damals. Zum Glück musste eine Schwester aber in dem Moment nochmal an die Tür und nachdem ich ihr kurz meine Lage erklärt hatte, ließ uns rein und fünf Minuten später wurde ich schon untersucht. Zur Blutung kam es wohl durch ein kleines Gefäß, dass etwas gereizt war. Der Muttermund war fest verschlossen und alles so, wie es sein sollte. Auch auf dem Ultraschall war nichts anderes erkennbar, was die Blutung hätte verursachen können. Dafür aber ein 4 mm kleiner Embryo mit einem schlagenden Herz. Erleichterung!

Ich bin ab heute in der 7. Woche. Noch ist überhaupt nichts sicher. Aber wir haben schon drei Hürden geschafft: den positiven Test, den ersten Ultraschall und das schlagende Herzchen. Viele Hürden stehen uns noch bevor, weshalb sich unsere Vorfreude sehr in Grenzen hält. Was mir gerade etwas Sicherheit gibt, ist, dass mir quasi permanent schlecht ist, schlimmer noch als bei Johann, auch wenn ich natürlich weiß, dass Übelkeit keine Garantie für eine intakte Schwangerschaft ist. Ich hoffe, ich kann mich irgendwann richtig auf die Schwangerschaft einlassen. Uneingeschränkte Vorfreunde werde ich aber wohl zu keinem Zeitpunkt verspüren. Für mich wird Schwangerschaft immer mit Panik, Angst, Unsicherheit, Schmerz und Verlust verbunden sein. Ich empfinde das als sehr schade und beneide jede Frau, die an das Thema ganz unbefangen herangehen kann. Ich hoffe einfach nur, dass die Wochen und Monate schnell vergehen und Johann im Oktober ein ganz besonderer großer Bruder wird von einem gesunden Geschwisterchen.

Samstag, 6. Februar 2016

Long time no see...

Mein letzter Eintrag ist schon eine Weile her. Irgendwie gab es nicht wirklich etwas Neues zu berichten. Vielleicht lag es auch ein bisschen an meiner Therapeutin, dass mir einfach der Impuls zum Schreiben fehlte, weil ich meine Gedanken bei ihr loswerden konnte, es immer noch kann. Trotzdem war ich nicht ganz untätig und habe in der Zeit einen Fragebogen für verwaiste Eltern erstellt, den auch schon einige ausgefüllt haben. Mein Ziel ist es, all die individuellen Geschichten so auszuwerten, dass am Ende eine Art Ratgeber für das Umfeld entsteht. Ich weiß, dass es schon einige Bücher zu dem Thema gibt, in denen auch hilfreiche Tipps zu finden sind. Aber mal ehrlich: Wer kauft sich schon so ein Buch, außer die betroffenen Eltern selbst? 
Sicher wird die Auswertung noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, immerhin habe ich schon über 50 beantwortete Fragebögen, denen ich auch allen gerecht werden möchte. 
So weit zu meinen Plänen.

Ansonsten hat sich nicht viel verändert. Johann fehlt nach wie vor. Wenn ich die Babys von Anderen sehe, gibt es mir einen Stich ins Herz. Wenn Andere von schlaflosen Nächten berichten, denke ich mir zynisch: "Also damit haben wir keine Probleme. Johann hat von Anfang an durchgeschlafen!" Ich frage mich nun häufiger, wie das Leben mit ihm wohl aussähe? Wie wäre er wohl? Wäre er eher ein ruhiges Kind, oder wäre er lebhaft? Noch immer fühle ich mich einsam damit. Ich gehöre nirgendwo dazu. Weder zu den Müttern mit Kindern, noch zu den Kinderlosen. Ich bin irgendwo dazwischen und fühle mich weder von einer Seite verstanden noch irgendwo dazugehörig. Inzwischen fragt auch kaum einer noch, wie es mir geht. Meine Therapeutin und ich haben festgestellt, dass ich viel gefestigter wirke, als ich mich eigentlich fühle. Ich möchte niemanden belasten, mache es somit meinem Umfeld leichter mit mir umzugehen. Vieles schlucke ich einfach herunter, obwohl ich einfach sagen könnte, dass mich dies und jenes gerade verletzt. Das ist wohl etwas, was ich lernen muss, darin war ich noch nie besonders gut. 

Oft fehlt mir die Lust und die Kraft mich mit Banalitäten auseinanderzusetzen. Manchmal sitze ich in größeren Runden und denk mir mit einem großen inneren Augenrollen: "Meine Güte, also DIE Probleme hätt ich auch gerne mal!" Andererseits bin ich manchmal auch froh darüber, eine gewisse Normalität zu spüren. Ich halt sie nur nicht allzu lange aus, sie strengt mich an und meistens wird es mir von einer Sekunde auf die nächste zu viel. 

Worüber ich jedoch sehr froh bin, ist, dass ich einen Mann an meiner Seite habe, der mich wo es geht unterstützt. Er ist einfach da, hält mich aus, baut mich auf, bringt mich zu lachen. Dafür bin ich ihm extrem dankbar!

(Falls unter meinen Lesern Eltern sind, die gern an der Umfrage teilnehmen möchten: Einfach die E-Mail-Adresse in den Kommentaren angeben und ich schicke sie dann zu.)

Donnerstag, 7. Januar 2016

Wie man sich selbst auch Geschenke machen kann, die keine sind.

Die letzten Tage waren geprägt von Aufregung, Angst, Ungeduld. 

Vor einigen Tagen hatte ich das Gefühl, schwanger zu sein. Manches fühlte sich anders an, es erinnerte mich an die ersten Schwangerschaftswochen mit Johann und obwohl die Chance auf natürlichem Wege schwanger zu werden gleich null war, machte ich einen Test. Die zweite Linie war da, wenn auch sehr schwach. Schwanger. 
Am selben Tag waren wir auf der Entbindungsstation zu Besuch bei unserer neugeborenen Nichte. Der Test gab mir die Kraft diesen Tag zu überstehen, ohne durchzudrehen. 5 Stunden umgeben von Hochschwangeren und Neugeborenen - für verwaiste Eltern wohl eher ein ein Ort, den man gern vermeiden würde. Zwei Tage später wiederholte ich den Test, immer noch ungläubig. Sollte es tatsächlich ein Wunder geben? Etwas deutlicher als zuvor sah man den zweiten Strich. Ich begann langsam an ein Wunder zu glauben. Daran, dass ich eine der mysteriösen Frauen wäre, von denen immer alle zu erzählen wissen, wenn es um das Thema unerfüllter Kinderwunsch geht. "Jahrelang probiert, adoptiert und plötzlich schwanger!" "Mit dem Kinderwunsch abgeschlossen nach 246572345 Fehlgeburten und plötzlich schwanger!" 
Ich war bereit. Ok, ich bin also doch jemand von den guten Beispielen, von denen man so gern erzählt. (Die, nebenbei bemerkt, eher Panik und Druck auslösen, als ein gutes, hoffnungsvolles Gefühl!) 

Am nächsten Tag dann der Schock: Ich blute. Ja, klar, was auch sonst! Ich naives Ding! Hatte ich doch wirklich angefangen zu hoffen! Als kleines Sahnehäubchen noch eine Schwangerschaftsbotschaft aus dem Freundeskreis an dem Tag. Gefühle, die man nicht beschreiben kann und das unbändige Verlangen, seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen oder sonst irgendetwas zu tun, damit man einfach überhaupt nichts mehr spüren muss. Betäubung! Nur für ein paar Stunden, ich möchte nichts mehr fühlen!

Heute, an meinem Geburtstag, habe ich noch einmal getestet. Negativ. 

Danke für diesen Einstieg liebes 2016, ich möchte dich sehr gern überspringen. Ich möchte mich persönlich anlegen mit dem, der hier das Drehbuch schreibt und ihm gern sagen, dass er ein Arschloch ist. 

Und ich frage mich, wie ich jemals Frieden finden soll? Wie ich jemals das Vertrauen in meinen Körper wiederfinde? Wie ich jemals wieder der Mensch sein soll, der ich einmal war? Ich möchte nicht mehr die starke Frau sein, die das alles irgendwie übersteht. Ich verzichte auf all die Komplimente und das Mitgefühl! Ich will jetzt verdammt nochmal mein Glück! Ich will es jetzt! Sofort! Sieben Jahre lang habe ich mehr oder weniger geduldig gewartet. Jetzt ist Schluss! Ich habe es auch verdient, ich weiß das, weil ich schlimmere Menschen als mich kenne, die zehn Kinder haben. Ich bin jetzt dran. ICH! Und niemand sonst!