Montag, 10. Juli 2017

Manchmal.

Es gibt so Tage, die sind wie gemacht für den großen Hausmüll. Ihr wisst schon, der, aus dem die Fliegen rauskommen, wenn man die Klappe aufmacht, der nach vergammelten Essensresten und Katzenklo stinkt. Tage, die schon so anfangen, dass die Milch für den Kaffee und das Müsli fehlt, an denen man permanent einen latenten Kopfschmerz verspürt und sich am liebsten irgendwohin beamen würde, wo es so 20 Grad hat, dunkel, ruhig und weich ist. Tage, an denen man ständig auf die Uhr schaut und sich dann wundert, weshalb sich 10 Minuten anfühlen können, wie zwei Stunden. Solche Tage gibt's immer mal wieder, zumindest bei mir. Die gab es schon vor Johann, danach aber auch und die sind auch mit Selma nicht plötzlich weg. Früher hab ich dann einfach den ganzen Tag auf der Couch verbracht, nachdem ich von der Schule/Arbeit nach Hause kam. Das ist nun nicht mehr möglich und ich muss leider zugeben, ich habe bisher keine alternative Strategie gefunden, um damit umgehen zu können.

Heute ist wieder so ein Tag. Es ist noch nicht mal 14 Uhr und ich bin schon völlig geschafft, fühle mich ausgelaugt und mit einem Kind total überfordert, obwohl ich sonst Geduld für 20 Kinder habe. Dabei hat unsere Tochter es mir zumindest heute morgen leicht gemacht, denn sie hat bis um neun geschlafen und ich konnte ganz in Ruhe duschen und mich fertig machen. Trotzdem bin ich heute sofort genervt, wenn etwas nicht so funktioniert, wie ich es gern hätte. Kleinigkeiten reichen da schon. Dass da noch ein Baby sitzt, dass quengelig ist, bespaßt und herumgetragen werden will, macht es nicht unbedingt besser. Mir ist natürlich klar, dass sie nicht versteht, wenn ich mit ihr schimpfe. Meistens lacht sie dann sogar, weil Mama so lustig redet und ich bin insgeheim froh, dass sie es noch nicht versteht. 

Der ganze Tag ist eigentlich eine Aneinanderreihung solcher Situationen und besonders schlimm ist es, wenn ich Essen vorbereiten möchte/muss. Zum Mittag hatte ich dann heute halbrohe Bratkartoffeln und ein nach nichts schmeckendes Rührei. Den Topf mit heißem Wasser für ihren Brei hätte ich auch weg lassen können, denn für drei Löffel hat der sich jetzt auch nicht unbedingt gelohnt. Inzwischen schläft sie in der Trage. Den Versuch hatten wir vor einer Stunde schon, dabei hat sie mich aber immer wieder so in die Arme gezwickt, dass ich sie irgendwann einfach in ihr Gitterbett gesetzt habe. Durchgehalten hab ich das nicht eine Minute, weil sie mir leid tat. Stattdessen hab ich sie mit ins große Bett genommen und noch ein bisschen spielen lassen. 

Ich weiß nicht, ob das anderen (Müttern) auch so geht, dass man sich an solchen Tagen dann fragt, ob man überhaupt geeignet ist als Mutter, oder ob man hier gerade alles versaut. Ich weiß, dass das Quatsch ist, dennoch fühle ich mich schlecht. Manchmal wünsche ich mir einen Blick hinter die Fassaden von Familien, von denen ich denke, dass es da allermeistens harmonisch abläuft. Überhaupt wäre ich sehr dafür, dass einem nicht ständig überall suggeriert wird, dass immer alles nur easy peasy ist und man sein Kind die ganze Zeit verliebt anschaut. Ich fänd es schön, wenn Mütter (und auch Väter) ganz offen damit umgehen würden, dass es manchmal einfach verdammt anstrengend ist, man an seine Grenzen kommt, mal verzweifelt, mal überreagiert. 

Ein kleiner Trost bleibt mir ja: in 13 Jahren, werde ich es wahrscheinlich geballt zurück bekommen und falls man das dann hier noch lesen kann: Selma, ich hab dich trotzdem lieb! 

Dienstag, 18. April 2017

Körperliche Befindlichkeiten

Ja, ein leidiges Thema, aber es brennt mir auf der Seele und es muss raus, weil ich finde, dass zu wenig darüber gesprochen wird. Wie immer hier, einigermaßen schonungslos, denn es steht mir bis zum Doppelkinn. 

Unzählige Hormonbehandlungen und zwei Schwangerschaften später sitze ich hier, starre auf meinen Bauch und bekomme Wut. Nicht nur, dass mein Körper zu blöd war, das zu können, was für einen Frauenkörper das normalste auf der Welt ist und dafür 1000 Extraeinladungen (und mehrere 1000 Euro, aber lassen wir das!) brauchte. Offensichtlich hat er auch noch nicht bemerkt, dass ich nicht mehr im 7. Monat schwanger bin. Seltsam, ich erinnere mich nämlichen ganz gut an das Ende der Schwangerschaft! 

So. Reden wir über Zahlen: Im Vergleich zu meinem Vorschwangerschaftskörper hab ich 10 Kilo mehr drauf. Die ungefähr sieben Kilo, die ich nach der Geburt von Selma abgenommen habe, sind schon weggerechnet. Seit vier Monaten stagniert das Gewicht und ich wär ja schonmal froh, wenn vorne dran eine 5 stehen würde. Jaja, ich weiß, das liest sich wie ein astreines First World Problem. Ist es aber nicht, denn ich fühle mich furchtbar.

In mir existieren zwei Seiten. Die eine sagt: "Hey, du hast zwei Kinder innerhalb von zwei Jahren bekommen, nen Haufen Hormone geschluckt und gespritzt, musstest ein Kind zu Grabe tragen und außerdem ist die letzte Geburt erst ein halbes Jahr her. Du hast so viel geleistet, jetzt bleib doch mal entspannt, die wenigsten sehen nach einer Schwangerschaft so schnell wieder aus, als wär nix gewesen." 
Und dann kommt die andere Seite, die man mit einem Wutbürger, wie er im Buche steht, vergleichen kann, und brüllt: "Guck mal die an! Und die! Und die! Und die auch! Nach drei Wochen wieder ein flacher Bauch! Wie machen die das? Warum kannst du das nicht? Die fressen halt nicht so viel wie du! Die machen bestimmt mehr Sport, oder haben einfach Glück! Verdammte Scheiße, ich will das auch!" 

Und so sehr ich auf die erste Seite hören will, ich schaff es nicht. Ich bin (selektive Wahrnehmung?) umgeben von Frauen, die ohne etwas zu machen (oder sie geben es nicht zu, keine Ahnung) quasi noch bevor der Wochenfluss versiegt ist, einen Bauch haben, der aussieht wie meiner. Vor drei Jahren. So sehr ich mir einreden will, dass das nicht wichtig wäre, weil es nur diese verkackte sexistische Gesellschaft ist, die suggeriert, man ist nur etwas wert, wenn man in Kleidergröße 36 passt... Oder das andere Extrem, dass man seinen Körper jetzt lieben müsse, weil man ja ein Kind bekommen hat. Mein Kopf weiß, dass das Käse ist. Sogar mein Herz weiß das. Aber irgendwas in mir hadert so sehr mit der neuen Figur. Ich möchte so gern wieder in meine alten Hosen passen, nicht mehr den Bauch einziehen müssen, weil es mir peinlich ist, dass andere mich mit Baby auf dem Arm sehen und denken könnten: "Ui, schon das Nächste unterwegs, na die legt ja schnell nach!" 

Inzwischen hab ich zumindest eingesehen, dass es sinnlos ist, meinen alten Kleidungsstücken nachzutrauern und angefangen sie zu verkaufen. Und ich habe einfach fürs Gefühl zwei neue Jeans gekauft, zwei Nummern größer als früher, aber immerhin passe ich rein, es kneift nichts und es ist kein verdammter Bauchbund mehr dran, wie an den Schwangerschaftshosen, die ich auch in den letzten Wochen noch trug. 

Ach. Was ich übrigens jetzt nicht hören möchte, sind irgendwelche Floskeln, wie "Aber Hauptsache ist doch, dass es dem Kind gut geht!" Ja, natürlich ist das die Hauptsache. Es geht genau genommen auch nur dem zweiten Kind gut, das mal nebenbei. Aber ich finde, es ist auch wichtig, das eigene Wohlbefinden nicht zu ignorieren und auch mal auszusprechen, wenn das eben nicht so ist, wie einem von allen Seiten eingebläut wird, wie es zu sein hat. Ich werde weiterhin neidisch sein auf all die "Also durch's Stillen hab ich ganz schnell wieder abgenommen!" Sprüche. Aber ich seh es auch irgendwie nicht ein, jetzt in einen Fitnesswahn zu verfallen, nur noch halbe Portionen zu essen, oder gar auf mein tägliches Eis im Sommer zu verzichten. Ich finde 1-2 Sportkurse und eine völlig normale (meistens ausgewogene) Ernährung müssen reichen.  Glückwunsch an alle, die sich da krass disziplinieren können, oder einfach nur gutes Genmaterial haben! Ich habe Yoga gemacht, war schwimmen und bei fitdankbaby. Spaß gemacht hat mir alles, aber sichtbar etwas gebracht, hat es nicht. So wenig, dass ich vorgestern einfach mal gegoogelt habe, was eigentlich Fettabsaugen so kostet. 


(Falls sich hier jemand denkt, die Frau spinnt doch! Ja, wahrscheinlich. Aber Danke, ich bin ganz gut darin, mich selbst zu reflektieren, also bitte keine "gut gemeinten" küchenpsychologischen Ratschläge. Echt nicht. Ich komme sonst durch die Tastatur und beiß' euch in die Finger!)

Freitag, 24. Februar 2017

Ein paar Gedanken.

Puh, ganz schön lange her, dass hier was los war. Ich hatte mir zwischendurch immer mal vorgenommen, etwas zu schreiben, aber irgendwie kam ich dann doch nie dazu und wahrscheinlich gab es auch nicht wirklich etwas zu erzählen. Also naja, eigentlich schon eine ganze Menge über das Leben mit Kind, aber ich weiß gar nicht, ob ich das hier je zum Thema machen wollte.

Der Grund, warum ich heute etwas schreibe: Ich hatte gestern Besuch von einer Freundin und im Gespräch fragte sie mich, wie es mir eigentlich geht in Bezug auf Johann. Das kam so unvermittelt und überraschend, dass mir tatsächlich gar nichts eingefallen ist, was ich darauf hätte antworten können. Es kamen dann auch wieder andere Themen auf, aber nach dem Besuch musste ich noch sehr lange darüber nachdenken. Darüber, warum mich die Frage so überrascht hat, warum ich keine Antwort wusste und was das zu bedeuten hat. Also erstmal, bevor meine Freundin ein schlechtes Gewissen bekommt: Die Frage war total in Ordnung, keine Sorge! ;) Ich fand es dann aber doch ziemlich traurig, dass sie die Einzige war in den letzten Monaten, die mich danach gefragt hat. Das ist auch okay, ich hab ja selber manchmal das Gefühl, dass es dazu nicht mehr viel zu sagen gibt, außer dass er natürlich immer noch fehlt. Ich hab mir den Mund fusselig geredet und Knoten in die Finger getippt, hab gesagt, was ich sagen wollte und was gesagt werden musste. Die Trauer kommt inzwischen auch längst nicht mehr so heftig, wie früher. Es ist jetzt eher so, dass es so eine Grundstimmung in mir gibt, die immer da ist, vielleicht wie eine Glut, die nie ganz ausgeht. Ich muss nicht darüber nachdenken, es ist einfach da. Er ist einfach da. So wie man nicht darüber nachdenkt, dass man jetzt atmen muss, weil man das zum Leben braucht - man macht es einfach, es passiert ganz automatisch. So muss man sich das ungefähr mit Johann vorstellen. Nur selten passiert es mir noch, dass es mich überrumpelt. So wie letztens, als wir eine Serie geschaut haben und es eine Szene in einer Leichenhalle gab. Plötzlich fiel mir ein, dass Johann auch in so einen Schubfach gelegen hat und es traf mich mitten ins Herz. Diese Vorstellung, dass dieses kleine Wesen vom wärmsten Platz, direkt aus der wortwörtlichen Geborgenheit in so einen kalten, gefühllosen Ort umziehen musste, klein und winzig auf dieser Liege lag, die doch für große und alte Körper gemacht ist. Dass er allein war und ich nicht bei ihm sein konnte. 
Ja solche Momente gibt es also auch noch und die hängen mir dann auch noch einige Zeit nach. Aber sie lähmen mich nicht mehr und das ist gut.

Ich freue mich jetzt auf den Frühling, wenn wir Johanns Grab wieder ordentlich machen, wenn die Sonne wieder durch die Bäume scheint und wir ihm frische Blumen bringen können. Wenn wir wieder nachts draußen sitzen können, in den Himmel schauen und mir wieder so ist, als könnte ich ihm dadurch irgendwie näher sein.