Dienstag, 31. Mai 2016

Manchmal fällt mir keine passende Überschrift ein.

Der Bauch wächst und das ziemlich rasant. Irgendwie geht jetzt doch alles so schnell, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass wir ständig unterwegs und kaum zu hause sind. Manchmal wird mir das auch zu viel. Ich merk es oft, wenn wir dann wieder zu hause ankommen und ich wegen Kleinigkeiten heule und den Tag danach komplett verschlafe. Ob das nun an der Schwangerschaft liegt oder einfach an allem, was uns so innerhalb des letzten Jahres passiert ist, weiß ich nicht, aber ich komme sehr schnell an meine Grenzen. Dazu kam dann in den letzten zwei Wochen auch eine größere Anspannung, da uns ja wieder ein großer Organultraschall in der Pränataldiagnostik bevor stand. In den Tagen zuvor war es auch wieder ziemlich ruhig im Bauch, das hat nun nicht gerade dazu beigetragen, dass ich mal ein bisschen gelassener werde. Als ich dann aber im Behandlungsraum auf der Liege lag, wurde wieder kräftig geboxt. Oder getreten? Ich kann das irgendwie noch nicht unterscheiden. Der Arzt war wie immer die Ruhe in Person und erklärte alles ganz genau. Selbst er, der eigentlich den ganzen Tag nix anderes macht, als zu schallen, war ganz verzückt, als die Kleine die Zunge rausstreckte, auf ihrer Hand herumkaute und am Ende nochmal  "winkte". Was aber viel wichtiger ist: Es sieht alles gut aus und es gibt überhaupt keinen Anlass zur Sorge! Ende Juli dürfen wir nochmal kommen um ganz sicher zu gehen, dass sich am Herzen nicht doch noch etwas entwickelt hat, wie bei Johann damals, aber das hält der Arzt für nahezu ausgeschlossen. 

So ganz langsam kann ich mich nun auch darauf einlassen. Ich merk's vor allem daran, dass ich am liebsten jetzt schon das Kinderzimmer her- und einrichten würde. Sogar ein Babybett ist schon bestellt wurde gerade geliefert, das wäre vor einem Monat noch undenkbar gewesen. Da dachte ich, ich will das alles erst, wenn das Baby da ist. 

Und obwohl (oder gerade weil?) die neue Schwangerschaft nun so präsent ist, denk ich in letzter Zeit ganz oft darüber nach, ob ich auch für beide eine gute Mutter sein kann? Waren wir oft genug am Grab? Hab ich oft genug an Johann gedacht oder vernachlässige ich ihn? Klar ist er auch immer irgendwie "da" und egal wohin wir reisen, wir packen immer eine kleine Laterne und genügend Teelichter ein, dass nachts immer ein Licht für ihn brennt. Aber reicht das? Und wie wird ein Kind aufwachsen, das einen so besonderen großen Bruder hat? Welche Einstellung wird es mal zum Leben haben und zum Tod? Welche Einstellung hab ich eigentlich dazu? 

Mittwoch, 11. Mai 2016

Fast-Halbzeit.

Nun sind schon wieder einige Wochen vergangen und die Zeit raste quasi an mir vorbei. Es gab immer irgendwas zu tun, wir waren viel unterwegs und nun bin ich plötzlich schon in der 19. Woche. Zwischendrin hatte ich mal ein paar Tage leichte Panik, weil ich das Kind nicht mehr gespürt hab. Aber als wir mit meinen Eltern im Musical saßen und die Musik losging, zappelte es dann doch wieder. Aus Prostest oder Begeisterung - man weiß es nicht!

Gestern hatten wir wieder Vorsorgetermin und ich war das allererste Mal gar nicht angespannt vorher. Ich war sogar gut drauf, obwohl ich sonst schon immer Tage vorher unausstehlich bin. Es war tatsächlich auch alles gut. Kein weißer Punkt am Herzen, keine Arrhythmien im Herzschlag und ein wunderbar vitales Kind (manch einer hat's vielleicht schon bei Instagram gesehen). Und eine Info, die uns natürlich ebenfalls interessiert hat: Es wird ein Mädchen! Johann bekommt also eine kleine Schwester. Irgendetwas sagt mir, dass ich bei einem "Jungs-Outing" nicht so glücklich reagiert hätte. Nicht, weil ich mich nicht darüber gefreut hätte. Es wäre nur einfach näher dran gewesen. So ist der "Abstand" größer, es gibt weniger Vergleichspotential. Das ist natürlich absolut subjektive Wahrnehmung und vielleicht auch schwierig zu erklären, denn im Grunde ist es mir/uns einfach wirklich komplett egal und es klingt so, als würde das der ersten Aussage widersprechen. 

Mit Gefühlswirrwarr ging es dann am späten Abend auch weiter. Ich musste aus einem anderen, völlig nichtigen Grund, heulen und plötzlich brach einfach so viel aus mir heraus. Es war Erleichterung, aber auch Trauer und ja, ein schlechtes Gewissen. Wir hatten uns den ganzen Tag über die Neuigkeiten gefreut und schon hatte ich das Gefühl, ich könnte Johann damit verletzen, ihn hintenanstellen. Dieses Gefühl bleibt wohl auch noch ein bisschen und ich könnte mir vorstellen, dass es spätestens zur Geburt so richtig hochkocht. Ich hab so oft in den letzten Wochen den Satz "Jetzt wird alles gut!" gehört. Nein. Es wird nie wieder alles gut werden. Es wird besser, ja. Aber gut? Alles? Das geht gar nicht! Denn dann müsste Johann gesund sein, hier rumkrabbeln und uns anlachen. Das wird aber nie passieren, also kann auch nicht alles gut werden!

Trotzdem. Ich versuche die Schwangerschaft so normal wie möglich zu durchleben. Zum Schwangerschaftsyoga gehe ich nun auch wieder. Auch wenn es mir manchmal schwer fällt, zwischen all den "normal Schwangeren" zu sitzen, die darüber philosophieren, dass da ja heutzutage viel zu viel untersucht wird und man sich dann total verrückt macht, früher hätte es das auch nicht gegeben und es ging auch, ... Ich halte mich aus solchen Gesprächen grundsätzlich raus, zumindest erstmal. Wenn mich jemand fragt, werde ich aber ehrlich antworten. Trotzdem fühl ich mich in solchen Situationen irgendwie deplaziert und es macht mich einfach traurig, dass solche Geschichten wie die von Johann und den unzähligen anderen Sternenkindern für viele Menschen überhaupt nicht existent sind. Aber vielleicht ist das auch so ein ich-rede-mir-ein-dass-nix-passieren-kann-also-passiert-mir-auch-nix-Ding. Das, was wir alle haben. Mit schlimmen Krankheiten, mit Unfällen, ... Manchmal wünsch ich mir etwas von dieser Naivität zurück.