Samstag, 28. November 2015

:(

Jetzt sitz ich hier und tippe mit mehligen Händen, weil ich eigentlich mitten beim Plätzchenbacken bin. Und ich bin so wütend, dass ich damit aufhören muss. Ich bin vor Allem wütend auf mich selbst. Weil ich gestern nachmittag getestet habe und der Test tatsächlich schwach (aber deutlich) positiv war. Und weil ich dachte, dass das 12 Tage nach der Auslösespritze nicht mehr davon kommen kann. Und weil ich gehofft hatte, dass der zweite Strich heute nach dem Aufstehen etwas stärker wird. Stattdessen ist er verschwunden. Einfach weg. Doch nicht schwanger! Ich weiß schon, es ist noch sehr füh zum Testen. In meinem Kopf rechne ich hin und her, zähle Wochentage, gleiche mit dem letzten Versuch ab, wann hab ich da getestet, wann war der Eisprung, ab wann war dies, das, jenes, HCG-Werte die sich in meinem Kopf hin und her halbieren und verdoppeln und ich werde wahnsinnig! Und dann diese Angst, es könnte nicht geklappt haben. Was ist dann eigentlich? Das erste Weihnachten zu dritt - was wird daraus? Das tausendste Weihnachten nicht allein, aber einsam. 

Ich sitze hier und heule so sehr, dass ich die Tastatur kaum erkenne. Ich will meinen Sohn zurück!

Mittwoch, 25. November 2015

Ich hatte ja ganz vergessen...

wie ätzend die Warterei ist. Der Transfer ist erst zwei Tage her und ich drehe bald durch. Bis zum 7.12. muss ich mich noch gedulden, dann ist der Test. Wobei ich bestimmt wieder ein paar Tage eher zu hause testen werde, weil ich es nicht so lange aushalte. Außerdem kann ich es nicht leiden, am Telefon vom negativen Test zu erfahren, ich bin lieber schon vorbereitet.

Irgendwie dachte ich auch, dass ich ja jetzt voll die Ahnung hab, wie es sich anfühlt, wenn man schwanger ist und was so die ersten Anzeichen sein können. Allerdings ist diesmal ja alles ganz anders, weil wir meinen Spontanzyklus nutzen, was bedeutet, dass die Hormonspritzerei wegfällt, somit auch die Überstimulation und alle Symptome, die damit zusammenhängen. Also ich weiß eigentlich überhaupt nichts! Ist aber auch egal, weil ich irgendwie auch so gar keine Symptome hab. Ich fühl mich total normal. Deswegen gibt es eigentlich auch überhaupt nichts zu erzählen. Ich hocke zu hause rum, schone mich und stelle mir immer kleine Tagesaufgaben. Gestern habe ich beispielsweise Geschenke eingepackt. Heute will ich die böse Schublade aufräumen. (Ihr wisst schon, so eine Schublade wo alles drin rumfliegt: Schreibzeug, Scheren, Büroklammern, Feuerzeuge und so. So eine Schublade hat doch jeder, oder?) Morgen will ich ein paar Dinge in der Stadt besorgen, einkaufen und auf den Friedhof gehen und am Freitag will ich mit der Plätzchenbackerei anfangen. Außerdem gucke ich nebenbei zum hundersten Mal "Friends". Ich hoffe, dass ich so irgendwie die Zeit totschlagen kann und bis zum Test werde ich euch bestimmt noch öfter mit langweiligen Details aus meinem Leben belästigen. Freut euch drauf!

(So, schon wieder zehn Minuten überbrückt!)

Dienstag, 17. November 2015

Ach, dieser November...

Ich kann nicht gerade sagen, dass der November jemals mein Lieblingsmonat gewesen wäre. Eher im Gegenteil. Hätte man mich jemals nach meinem unbeliebtesten Monat gefragt, hätte ich mit Sicherheit den November genannt. Kurzzeitig hatte er tatsächlich mal die Chance, doch der allertollste Monat des Jahres zu werden, aber dann kam ja alles anders und nun ist der November wieder das, was er früher einmal war: ein grauer, kalter Begleiter. Ein bisschen grauer und kälter noch als vorher. 

Letzte Woche Mittwoch wäre ja nicht nur Johanns Geburtstermin gewesen. Ich hatte auch einen Termin im Kinderwunschzentrum. Große Hoffnung hatte ich nicht, denn bei dem Termin wenige Tage vorher war die Schleimhaut überhaupt nicht aufgebaut. Kurzer Exkurs in die Gynäkologie: Die Schleimhaut ist das, was sich in der ersten Zyklushälfte in der Gebärmutter aufbaut und wo sich, wenn alles gut geht, die befruchtete Eizelle einnisten sollte. Passiert das nicht, bekommt man dann irgendwann seine Tage und es wird rausgeblutet. Also wo keine (oder kaum) Schleimhaut vorhanden ist, kann sich auch nichts einnisten. Ich bin also am Mittwoch zum Ultraschall gegangen, der festen Überzeugung, dass sich da nichts weiter getan hat. Aber anscheinend wollte mir Johann dann doch eine kleine Freude machen, denn da war tatsächlich etwas gewachsen und ich sollte am Freitag wiederkommen. Lange Rede, kurzer Sinn: Am Freitag haben wir den Behandlungsplan erstellt und es kann nun tatsächlich schon wieder losgehen. Die Spritze zum Auslösen den Eisprungs hab ich mir bereits am Sonntagabend gesetzt und am 23.11. werden früh zwei von unseren eingefrorenen befruchteten Eizellen aufgetaut und mir 11.30 Uhr eingesetzt. So weit der Plan.

Gefühlsmäßig dreht sich mir jetzt schon wieder alles um. Ich freu mich und gleichzeitig hab ich Angst. Ich weiß, dass es absolut gar nichts heißen muss, einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand zu halten. Ich stehe jetzt wieder ganz am Anfang und ich kann die vielen kleinen Hürden schon vor mir sehen: die Einnistung, der Test, der erste Ultraschall, der Herzschlag, der nächste Ultraschall, die Fruchtwasseruntersuchung, die zwölfte Woche, das Organscreenig,... Bis zu welcher Hürde geht es gut? Schaff ich die Erste überhaupt?

Ich versuche gelassen ranzugehen und zu denken, dass wir das alles schon irgendwie schaffen werden. Jetzt kann uns nichts mehr schocken, wir haben ja schon das Schlimmste erlebt, was man in der Beziehung erleben kann. Aber eins weiß ich eben auch: man ist nicht davor gefeit, dass es nochmal passiert. Wie sagt man so schön: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. 

Aber wir haben ja jetzt auch etwas, was wir vorher nicht hatten: einen kleinen Schutzengel, der auf uns aufpasst. 



Mittwoch, 11. November 2015

Kleiner Rumpelwicht,

heute wäre dein Tag gewesen. Ungefähr. Vielleicht wärst du auch schon seit ein paar Tagen bei uns oder würdest noch auf dich warten lassen. Aber ich weiß es nicht, also wird es für uns immer der 11.11. bleiben. Und anstatt dich im Arm zu halten, sitz ich im Wartezimmer des Kinderwunschzentrums und hoffe, dass mir dieser Tag doch ein kleines bisschen Glück bringt und wir grünes Licht bekommen für einen nächsten Versuch. 

Ich lag in den letzten Wochen oft nachts wach und habe nach Worten gesucht, die das Gefühl beschreiben, sein Kind zu verlieren noch bevor es überhaupt eine Chance auf ein richtiges Leben hatte. Es ist ungefähr so, als hätte man mir ein lebenswichtiges Organ entnommen und es durch einen tonnenschweren schwarzen Klumpen ersetzt, aus dem ab und zu tausende Rasierklingen rausschießen. Er macht mich gleichzeitig schwer und leer. Und weil das Organ lebenswichtig war, warte ich irgendwie darauf, dass es irgendwann nicht mehr geht, dass es vorbei ist, dass ich nicht mehr leben kann, weil das die logische Konsequenz wäre. 

Aber ich lebe. Und ich versuche mich irgendwie da durch zu wurschteln. Mal geht es besser und mal schlechter. 

Vor wenigen Tagen hat eine Freundin nach einem Foto von Johann gefragt, sie hätte gern eins für Ihre Fotowand. Ich hab gesagt: "Klar, gerne, das ist lieb!" Und sie antwortete mit einer Selbstverständlichkeit: "Na klar, ich hab dort Fotos von allen Kindern, Johann gehört doch mit dazu!" Das war so schön, dass mir direkt wieder die Tränen kommen, wenn ich drüber nachdenke.

Ja, Johann, du gehörst mit dazu. Für immer! Ich werde mir jeden Tag vorstellen, wie es wäre, wärst du bei uns. Wie du uns zum Lachen bringen würdest, uns um den Schlaf bringen (okay, das machst du auch so ziemlich gut), unsere und deine eigenen Grenzen austesten würdest. 

Letztens bin ich im Garten ausgerutscht und hingefallen. Ich konnte dich kichern hören. Das war schön! 

Donnerstag, 5. November 2015

Nachtrag.

Ja, mein letzter Eintrag war hart. Und ganz sicher habe ich damit Menschen vor den Kopf gestoßen.  Ob mir das leid tut oder nicht, überleg ich mir noch. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle etwas klarstellen:

Dieser Blog ist sehr persönlich und ich teile ihn nicht nur mit Freunden und Familie, sondern auch mit fremden Menschen. Es ist für mich eine Art Tagebuch und diejenigen, die selbst schon mal ein Tagebuch geführt haben, wissen vielleicht, dass man dort einfach alles reinschreibt, was einen bedrückt, glücklich oder traurig macht oder eben auch: wütend. 

Bisher habe ich davon abgesehen, hier von ganz bestimmten Situationen und Menschen zu schreiben, weil ich niemandem zu nahe treten möchte. Im letzten Beitrag habe ich diese "Regel" gebrochen, nicht um jemandem damit weh zu tun, sondern um mich zu entlasten. Ich habe ihn geschrieben am Tag nach dem Familienfeier-Erlebnis, die Wut war also noch sehr frisch. 

Ich muss dazu sagen, dass ich mir bereits in den Tagen vor der Feier unheimlich viele Gedanken gemacht habe, wie und ob ich diesen Abend einigermaßen überstehe. Ich wusste ja, dass ich das erste Mal direkt mit einer Schwangerschaft konfrontiert sein werde und wenn ich ehrlich bin, hatte ich große Angst davor. Momentan ist die Trauer sehr schlimm, da nun Johanns Geburtsmonat wäre und mir immer bewusster wird, was uns fehlt, was wir niemals haben werden. (Hier geht es im Speziellen um Johann, nicht darum überhaupt irgendwann ein gesundes Kind zu haben!) Da ich mich ja aber trotzdem auf das Zusammentreffen mit unserer Familie gefreut habe, (ja, auch auf meine Schwägerin, auf sie sogar besonders!) bin ich trotzdem hingegangen. Mit Bauchschmerzen zwar, aber ich dachte, ich schaff das schon irgendwie und habe meine ganze Kraft zusammengenommen. Und ich hatte mich tatsächlich gut geschlagen bis zu dem Moment, als besagte Freundin auftauchte. Plötzlich war einfach alles anders. Es war wie ein ganz persönlicher Angriff in einer Zone, in der ich mich eigentlich geschützt fühlte, nämlich in meiner Familie. Wenn ich mich nicht mal dort sicher fühlen kann, wo denn sonst?

Der Abend war tatsächlich einer der schlimmsten seit der schrecklichen Diagnose. Selbst am Tag der Beerdigung habe mich mich in keiner Minute so verletzt, traurig und wütend gefühlt und es ist so, als hätte dieser Abend ein noch tieferes Tief eingeläutet, als ich es bisher kannte. Ich möchte mich irgendwo eingraben und erst wieder aufwachen, wenn es vorbei ist. Mir fehlt jegliche Motivation, ich frage mich, für was ich am Morgen eigentlich noch aufstehe. Und trotzdem ziehen die Tage im Schnelldurchlauf vorbei.

Ja, es tut mir auch sehr leid für alle, die mit uns leiden. Aber ich habe keine Kraft, mir darüber Gedanken zu machen. Vielleicht ist das egoistisch, das mag sein, aber das hier ist eine Situation, in der man ruhig mal nur an sich denken kann, finde ich. Wir haben unser Kind verloren.  Niemand, der das nicht erlebt hat, kann nachvollziehen welche Gefühle und Gedanken uns permanent begleiten, wie man gebeutelt von Emotionen, die man vorher nicht kannte, hilflos dasteht und sich fragt, ob das überhaupt jemals ein Ende haben wird. Und insgeheim zu wissen: es wird kein Ende haben. Es wird vielleicht weniger und anders. Aber die Lücke bleibt und das fiese Gefühl, dass da noch jemand bei uns sein sollte.

Die Welt dreht sich für alle weiter, das ist klar. Nur unsere ist ins Schlingern geraten, dreht sich mal schnell, mal langsam, mal gar nicht, vor und zurück. Ich weiß nicht, wie lange das dauert, bis sie sich wieder nur nach vorn dreht und sich das Tempo wieder anpasst. Wir müssen uns nichts vormachen: es geht uns schlecht. Auch wenn wir manchmal lachen, Späße machen uns eigentlich ganz normal verhalten. Das ist eher der zwanghafte Versuch wieder ein bisschen Normalität ins Leben zu bringen, die Kontrolle wieder zu übernehmen. Dass es hier dann vielleicht auch mal unangenehme Worte zu lesen gibt, liegt wohl in der Natur der Sache. Ich kann nicht immer stark sein, ich möchte nichts beschönigen, denn manchmal ist es einfach eklig, schlimm und bösartig.

Trotzdem möchte ich diesen Beitrag nicht so negativ beenden und auch etwas ansprechen, was mich abgesehen von Johann, täglich beschäftigt. Anfang Oktober hatte ich ja den Nachsorgetermin bei meiner Frauenärztin und kurz darauf im Kinderwunschzentrum. Ich habe einen Streifen der Pille bekommen, um meinen Zyklus wieder einzupegeln. Morgen ist bereits der zehnte Zyklustag und wir haben wieder einen Termin im Kinderwunschzentrum. Wenn wir ganz großes Glück haben und der Ultraschall morgen zeigt, dass mein Körper wieder bereit wäre für einen nächsten Versuch, dann wäre es möglich, dass dieser schon nächste Woche starten könnte. Für mich wäre das etwas sehr Besonderes, da Johanns eigentlicher Geburtstermin nächste Woche wäre und ich somit vielleicht die Chance haben werde, an diesem Tag (in dieser Woche) nicht nur die Trauer zu sehen, sondern auch die Hoffnung.