Sonntag, 6. September 2015

Eine große Tüte gemischte Gefühle zum Mitnehmen bitte!

Die ganze Zeit war das eher so eine rein theoretische Sache. Ein bisschen einladen, ein bisschen Grabstelle aussuchen, ein bisschen planen, basteln und ein paar Dinge besorgen. Mein Mann hat mir gestern von der Grabsteinsetzung ein Foto geschickt. Im Mittelpunkt der wunderschöne Grabstein. Rechts daneben ein paar Bretter und unter den Brettern eine Grube. Ich kann den Grabstein gar nicht anschauen, ich seh nur die Bretter und denke: "Da drunter kommt morgen mein Kind!", und ich werde panisch. Das findet alles wirklich statt, das war gar kein was-wäre-wenn-Spiel.

Gleichzeitig freue ich mich aber auch. Darauf, dass viele liebe Menschen da sein werden, dass wir Johann zusammen feiern und dass es, trotz Mistwetter (hoffentlich) eine hübsche Feier wird.

Und dann bekomme ich doch wieder Angst. Reichen die Getränke? Kommen auch wirklich alle, die zugesagt haben? Vielleicht ist die Wiese ja total matschig durch den Regen, dass wir dort gar nichts aufstellen können? Passen alle in den Pavillon? Und ich seh mich schon wegen jeder Kleinigkeit, die vielleicht nicht so klappt wie ich mir das vorgestellt habe, vollkommen ausflippen, wie eine Dreijährige an der Supermarktkasse.

Und ich hab auch Angst, dass ich nicht damit umgehen kann, was die Leute vielleicht zu mir sagen werden. Ich möchte nicht hören, dass das schon für irgendwas gut war. Oder dass wir ja einfach schnell ein neues Kind machen können, wir haben doch noch eingefrorene Eizellen. Einfach nur drücken und "Es tut mir leid!", das wäre schön. Es gibt sowieso keine tröstenden Worte. Mit denen ist es so, wie mit einem Gemälde das eigentlich shcon fertig ist. Je mehr man da noch drin rum malt, um es besser zu machen, umso größer ist die Gefahr, es dann doch zu versauen.

Irgendwie ist das eh alles ganz seltsam. Leute, mit denen ich jahrelang kaum Kontakt hatte, sogar Leute die ich überhaupt nicht kenne, bieten mir ihre Hilfe an, spenden uns Geld, schicken Blumen und selbstgenähte Kuscheltiere, schreiben Briefe an Johann, zünden Kerzen für ihn an. Das ist unglaublich! Das Gegenteil gibts leider auch. Dass von Menschen einfach gar nichts kommt, von denen man das eigentlich aber schon irgendwie erwartet hätte, weil man sie zu seinen Freunden gezählt hat. Aber wahrscheinlich ist es so, wie meine Frauenärztin vor ein paar Tagen gesagt hat: dass man als betroffenes Paar eigentlich erwartet, dass von den Mitmenschen etwas kommt, dass man sich dann aber doch oft einfach selbst zucken muss, weil die Sprachlosigkeit zu groß ist. Es ist einfach nicht vorgesehen, dass die Kinder vor den Eltern gehen, damit können die Wenigsten umgehen. 

Aber ich kann ja auch einfach sagen, was ich mir wünsche: Ich wünsche mir, dass man nach Johann fragt. Dass man mir am besten alle Fragen stellt, die man hat, auch wenn man sich das nicht traut. Dass man fragt, ob man die Fotos von ihm sehen darf. Dass man aber trotzdem keine Angst davor hat, uns zum Lachen zu bringen oder mit uns über ganz banale, alltägliche Dinge zu sprechen. Ich wünsche mir, dass mit Johann umgegangen wird, wie mit jedem anderen Kind, dass er einfach zu uns gehört und das für immer. Wir haben ein Kind. Man kann es nicht sehen, aber wir sind Eltern geworden und wie alle anderen Eltern reden wir gerne über unser Kind und zeigen gerne Fotos von ihm. Und so wie andere Eltern ihre Kinder lieben, lieben wir Johann. 

1 Kommentar:

  1. Über deinen Instagram-Account bin ich gerade auf deinen Blog gestoßen und ich kann nicht aufhören zu lesen.
    Im März ist mein kleiner Bruder völlig überraschend mit 20 Jahren an einem Herzfehler gestorben. Vieles was du schreibst, spricht mir aus der Seele. Vor allem der letzte Absatz hier. Ich bin eine große Schwester! Ich habe einen kleinen Bruder und ich bin kein Einzelkind!
    Und auch die Begegnung mit Freunden und Bekannten.. am meisten schmerzt doch das Wegsehen und aus dem Weg gehen. Man möchte doch mehr oder weniger wie immer behandelt werden und auch lachen dürfen, auch über Banalitäten. Und gleichzeitig plagt das schlechte Gewissen. Es ist verzwickt.

    Ich denke jedenfalls fest an euch und freue mich, dass ihr bald eine vierköpfige Familie seid!
    Clara

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