Mittwoch, 31. August 2016

Endspurt.

Naja gut, noch nicht ganz. Theoretisch sind es noch 40 Tage, wenn sie zu den 2-4% der Kinder gehört, die pünktlich zum Termin kommen. Meinetwegen könnte es ruhig schon ein bisschen eher losgehen, denn, abgesehen von den körperlichen Beschwerden, merke ich auch wie so langsam meine Ängste wieder etwas zunehmen. Bei der letzten Vorsorgeuntersuchung gab es zwar keinen Grund zur Besorgnis, trotzdem steckt die Angst einfach in mir, da kann ich mir wohl noch so oft irgendwelche statistischen Fakten einreden.

Wenn man nach den letzten Messungen von Montag geht, ist die Kleine jetzt ungefähr 47 cm groß und wiegt um die 2500 Gramm. Ich finde das klingt schon ganz schön nach fertigem Baby. 47 cm war die Größe meines Mannes, als er auf die Welt kam. Auf dem Ultraschall sah sie auch schon schön babyspeckig aus, wie ein richtiges Baby eben. Was ein bisschen auffällig war, war mein Muttermund, der schon leicht geöffnet ist. Das ist allerdings auch nicht weiter tragisch, ich soll einfach ein bisschen langsam machen, langes Gehen oder Stehen vermeiden und mich immer wieder hinlegen zwischendurch. Man könnte jetzt denken, und ich denke das eigentlich auch: Juhuuuu, offizielle Gammelerlaubnis! Leider ist das nicht ganz so einfach, wenn man schon so walrossig ist, denn viele bequeme Liegepositionen gibt's nicht mehr, eigentlich nur noch zwei und die sind irgendwann auch nicht mehr bequem, weil einem irgendwann die Hüfte unheimlich schmerzt. Abgesehen davon hab ich auch mit Sodbrennen zu kämpfen und da ist Liegen eher kontraproduktiv und kann dazu führen, dass man aufwacht, weil man sich an seiner Magensäure verschluckt. Fehlt nur noch, dass ich Wasser in den Füßen und Beinen bekomme und die dann noch hochlagern muss. Dann müsste ich wohl auf der Seite in V-Form liegen, oder mich entscheiden mit welchem Wehwehchen ich eher leben kann.

Ansonsten ist hier soweit alles vorbereitet, nur ein paar Kleinigkeiten fehlen noch. Ein bisschen wirkt das alles noch wie eine Kulisse auf mich, aufgebaut um so zu tun als ob. Mir fehlt ein wenig die Vorstellungskraft dafür, dass da tatsächlich in wenigen Wochen unsere Tochter einziehen wird und dem ganzen Zeug einen Sinn gibt. Und es macht mich unheimlich nervös aus so vielen Gründen, dass ich sie unmöglich hier alle aufzählen kann. Aber ich vermute, das ist etwas, das zumindest einige Mütter von ihren ersten Kindern noch kennen dürften.

Noch kurz zum Schluss: Vielen Dank an alle, die an Johanns Todes- und Geburtstag an uns gedacht haben, Johann Geschenke gemacht haben und ihn auf dem Friedhof besucht haben. Viel größer als vor den Tagen an sich, war meine Angst, dass niemand daran denken könnte und ich bin so erleichtert, dass dem nicht so war. Das hat mir (oder uns) diese Tage nicht nur erträglich gemacht, sondern auch irgendwie schön.

Donnerstag, 18. August 2016

Ein trauriger Jahrestag.

Irgendwie ist es seltsam. Da habe ich in den letzten Wochen ganz oft an den morgigen Tag gedacht, Johanns Geburtstag, und dabei völlig vergessen, dass heute ein ebenso wichtiger Tag ist. Heute ist der Tag, an dem Johann in meinem Bauch eingeschlafen ist. Als mir das heut morgen klar wurde, musste ich erstmal ein paar Tränen vergießen. Aus Trauer, aber auch aus Ärger über mich selbst, dass mir das so untergegangen war. Heute, mit einem neuen Baby im Bauch, kommt es mir umso unvorstellbarer vor, was wir vor einem Jahr erlebt haben. Es ist ganz nah, total greifbar, aber gleichzeitig so weit weg, dass ich mich nur an wenige Dinge erinnern kann. Eines hab ich aber ganz genau im Kopf: Wie ich unter Beruhigungsmitteln in den Behandlungsraum gefahren wurde, mein Mann draußen sitzen bleiben musste und ich nur noch einen Gedanken hatte: "Wenn ich hier raus komme, ist Johann tot!" 

Dass die Entscheidung damals die richtige war, ist mir immer noch klar. Dass eine richtige Entscheidung sich dennoch so falsch und schmerzhaft anfühlen kann, hätte ich nie für möglich gehalten. Unvorstellbar sich dafür zu entscheiden, dass das geliebte Wunschkind sterben soll. Sterben, weil die Alternative ein Leben voll von Schmerz und Leid gewesen wäre, ein Leben, das so oder so viel zu schnell wieder vorbei gewesen wäre, ein Leben, dass das Wort nicht wert gewesen wäre, so schlimm wie klingt. 

Wenn ich mir heute ein Leben mit Johann vorstelle, ist er nicht krank. Er lacht, tobt, lernt wie alle anderen Kinder auch. Er ist glücklich, manchmal traurig oder wütend, hin und wieder tut ihm etwas weh. Aber nie, niemals muss er leiden. Fieber- und Hustensaft, ein Pflaster, tröstende Worte und Umarmungen machen alles wieder gut. Ich weiß, so wäre es nie gekommen, aber das Bild gefällt mir und ich möchte es behalten, genauso wie die Vorstellung, dass er ein ziemlich frecher Junge geworden wäre, mit einem Lachen, das ansteckt, so herzlich,  dass einem warm ums Herz wird. Und wenn ich mir die Fotos von ihm anschaue, kann ich es deutlich sehen. Ich weiß, er wäre so geworden, hätte es diese furchtbare Krankeit nicht gegeben.