Donnerstag, 18. August 2016

Ein trauriger Jahrestag.

Irgendwie ist es seltsam. Da habe ich in den letzten Wochen ganz oft an den morgigen Tag gedacht, Johanns Geburtstag, und dabei völlig vergessen, dass heute ein ebenso wichtiger Tag ist. Heute ist der Tag, an dem Johann in meinem Bauch eingeschlafen ist. Als mir das heut morgen klar wurde, musste ich erstmal ein paar Tränen vergießen. Aus Trauer, aber auch aus Ärger über mich selbst, dass mir das so untergegangen war. Heute, mit einem neuen Baby im Bauch, kommt es mir umso unvorstellbarer vor, was wir vor einem Jahr erlebt haben. Es ist ganz nah, total greifbar, aber gleichzeitig so weit weg, dass ich mich nur an wenige Dinge erinnern kann. Eines hab ich aber ganz genau im Kopf: Wie ich unter Beruhigungsmitteln in den Behandlungsraum gefahren wurde, mein Mann draußen sitzen bleiben musste und ich nur noch einen Gedanken hatte: "Wenn ich hier raus komme, ist Johann tot!" 

Dass die Entscheidung damals die richtige war, ist mir immer noch klar. Dass eine richtige Entscheidung sich dennoch so falsch und schmerzhaft anfühlen kann, hätte ich nie für möglich gehalten. Unvorstellbar sich dafür zu entscheiden, dass das geliebte Wunschkind sterben soll. Sterben, weil die Alternative ein Leben voll von Schmerz und Leid gewesen wäre, ein Leben, das so oder so viel zu schnell wieder vorbei gewesen wäre, ein Leben, dass das Wort nicht wert gewesen wäre, so schlimm wie klingt. 

Wenn ich mir heute ein Leben mit Johann vorstelle, ist er nicht krank. Er lacht, tobt, lernt wie alle anderen Kinder auch. Er ist glücklich, manchmal traurig oder wütend, hin und wieder tut ihm etwas weh. Aber nie, niemals muss er leiden. Fieber- und Hustensaft, ein Pflaster, tröstende Worte und Umarmungen machen alles wieder gut. Ich weiß, so wäre es nie gekommen, aber das Bild gefällt mir und ich möchte es behalten, genauso wie die Vorstellung, dass er ein ziemlich frecher Junge geworden wäre, mit einem Lachen, das ansteckt, so herzlich,  dass einem warm ums Herz wird. Und wenn ich mir die Fotos von ihm anschaue, kann ich es deutlich sehen. Ich weiß, er wäre so geworden, hätte es diese furchtbare Krankeit nicht gegeben.

3 Kommentare:

  1. Ich kenn dich seit einiger Zeit, "etwas" besser, seit kurzem...
    Johann ist da oben und schaut runter, beobachtet und lächelt...
    Es muss so sein ... Sonst glaube ich an gar nix mehr...außer daran, dass alles im Kopf bleibt...ich hab manchmal Angst, Stimmen zu vergessen, bleib solang wach bis sie wieder da sind...

    Du bist wunderbar!

    Alles wird gut .. oder besser

    W wartet ,)

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  2. Weiß gar nicht, was ich schreiben soll...

    Mein Großer ist letzten Freitag 8 Jahre alt geworden, und der Kleine, um den wir uns so viel Sorgen machen mussten, ist quietschvergnügt und - nebenbei gesagt - aktuell ziemlich frech und auch mal bockig... - und "dein" großer ist nun schon vorgegangen und wartet auf euch.

    Es tut mir immer noch sehr, sehr leid für euch alle. Auch wenn ich glaube, dass Johann "dort oben" (oder wo auch immer) die Zeit nicht lang wird, weil sie dort anders gezählt wird. Und er ja euch hat, zum Schauen und drauf Freuen.

    Ob ich No. 1 wirklich erkennen würde, wenn ich die jemals wieder treffe... keine Ahnung. Ich hab immer das Gefühl gehabt, über einen leuchtenden Punkt ist das nie hinausgekommen. Wie _erkennt_ man so jemanden? - Will der überhaupt erkannt werden, oder hat der schnell bemerkt, dass alles ein Irrtum war, und sich darum so schnell wieder verabschiedet?

    Das frage _ich_ mich manchmal - Aber bei euch wird das anders sein. Und anders werden. Daran glaube ich ganz fest.

    Alles, alles Liebe, weiterhin.

    LMB

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  3. Rose,
    Danke für diesen unausprechlichenn Mut uns von den privatesten und tiefgreifensten Erlebnissen und Gefühlen zu erzählen, uns teilhaben zu lassen. Danke für die Offenheit und brutale Ehrlichkeit die mehr als nur verständlich ist. Danke dass du den Mamas eine Stimme gibst die denselben Schmerzen haben müssen. Ich würde dir gerne persönlich in die Augen schauen, dich in den Arm nehmen und dir sagen was für eine Löwin du bist, dass wir dich bewundern, du uns Mut machst und dass deine beiden Kinder stolz auf dich sind. Leider bin ich nur eine Fremde und wir kennen uns nicht. Das Schicksal schlägt manchmal wie ein beschissenes unvorhergesehenes Unwetter zu und dennoch hält es ebenso unvorhersehbar eine Handvoll Glück bereit. Ich bete für dich und deine Familie dass auf euch ein doppelter Regenbogen nach dem Unwetter aufzieht und in allen hellen Farben leuchtet. Wenn deine Tochter auf der Welt ist, und sie an die Decke schaut oder hinter dich, und lächelt, dann weißt du wer sie gerade angelächelt hat. Vlt sieht man ihn nicht aber er ist immer bei dir.
    In Liebe Stefanie

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