Donnerstag, 5. November 2015

Nachtrag.

Ja, mein letzter Eintrag war hart. Und ganz sicher habe ich damit Menschen vor den Kopf gestoßen.  Ob mir das leid tut oder nicht, überleg ich mir noch. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle etwas klarstellen:

Dieser Blog ist sehr persönlich und ich teile ihn nicht nur mit Freunden und Familie, sondern auch mit fremden Menschen. Es ist für mich eine Art Tagebuch und diejenigen, die selbst schon mal ein Tagebuch geführt haben, wissen vielleicht, dass man dort einfach alles reinschreibt, was einen bedrückt, glücklich oder traurig macht oder eben auch: wütend. 

Bisher habe ich davon abgesehen, hier von ganz bestimmten Situationen und Menschen zu schreiben, weil ich niemandem zu nahe treten möchte. Im letzten Beitrag habe ich diese "Regel" gebrochen, nicht um jemandem damit weh zu tun, sondern um mich zu entlasten. Ich habe ihn geschrieben am Tag nach dem Familienfeier-Erlebnis, die Wut war also noch sehr frisch. 

Ich muss dazu sagen, dass ich mir bereits in den Tagen vor der Feier unheimlich viele Gedanken gemacht habe, wie und ob ich diesen Abend einigermaßen überstehe. Ich wusste ja, dass ich das erste Mal direkt mit einer Schwangerschaft konfrontiert sein werde und wenn ich ehrlich bin, hatte ich große Angst davor. Momentan ist die Trauer sehr schlimm, da nun Johanns Geburtsmonat wäre und mir immer bewusster wird, was uns fehlt, was wir niemals haben werden. (Hier geht es im Speziellen um Johann, nicht darum überhaupt irgendwann ein gesundes Kind zu haben!) Da ich mich ja aber trotzdem auf das Zusammentreffen mit unserer Familie gefreut habe, (ja, auch auf meine Schwägerin, auf sie sogar besonders!) bin ich trotzdem hingegangen. Mit Bauchschmerzen zwar, aber ich dachte, ich schaff das schon irgendwie und habe meine ganze Kraft zusammengenommen. Und ich hatte mich tatsächlich gut geschlagen bis zu dem Moment, als besagte Freundin auftauchte. Plötzlich war einfach alles anders. Es war wie ein ganz persönlicher Angriff in einer Zone, in der ich mich eigentlich geschützt fühlte, nämlich in meiner Familie. Wenn ich mich nicht mal dort sicher fühlen kann, wo denn sonst?

Der Abend war tatsächlich einer der schlimmsten seit der schrecklichen Diagnose. Selbst am Tag der Beerdigung habe mich mich in keiner Minute so verletzt, traurig und wütend gefühlt und es ist so, als hätte dieser Abend ein noch tieferes Tief eingeläutet, als ich es bisher kannte. Ich möchte mich irgendwo eingraben und erst wieder aufwachen, wenn es vorbei ist. Mir fehlt jegliche Motivation, ich frage mich, für was ich am Morgen eigentlich noch aufstehe. Und trotzdem ziehen die Tage im Schnelldurchlauf vorbei.

Ja, es tut mir auch sehr leid für alle, die mit uns leiden. Aber ich habe keine Kraft, mir darüber Gedanken zu machen. Vielleicht ist das egoistisch, das mag sein, aber das hier ist eine Situation, in der man ruhig mal nur an sich denken kann, finde ich. Wir haben unser Kind verloren.  Niemand, der das nicht erlebt hat, kann nachvollziehen welche Gefühle und Gedanken uns permanent begleiten, wie man gebeutelt von Emotionen, die man vorher nicht kannte, hilflos dasteht und sich fragt, ob das überhaupt jemals ein Ende haben wird. Und insgeheim zu wissen: es wird kein Ende haben. Es wird vielleicht weniger und anders. Aber die Lücke bleibt und das fiese Gefühl, dass da noch jemand bei uns sein sollte.

Die Welt dreht sich für alle weiter, das ist klar. Nur unsere ist ins Schlingern geraten, dreht sich mal schnell, mal langsam, mal gar nicht, vor und zurück. Ich weiß nicht, wie lange das dauert, bis sie sich wieder nur nach vorn dreht und sich das Tempo wieder anpasst. Wir müssen uns nichts vormachen: es geht uns schlecht. Auch wenn wir manchmal lachen, Späße machen uns eigentlich ganz normal verhalten. Das ist eher der zwanghafte Versuch wieder ein bisschen Normalität ins Leben zu bringen, die Kontrolle wieder zu übernehmen. Dass es hier dann vielleicht auch mal unangenehme Worte zu lesen gibt, liegt wohl in der Natur der Sache. Ich kann nicht immer stark sein, ich möchte nichts beschönigen, denn manchmal ist es einfach eklig, schlimm und bösartig.

Trotzdem möchte ich diesen Beitrag nicht so negativ beenden und auch etwas ansprechen, was mich abgesehen von Johann, täglich beschäftigt. Anfang Oktober hatte ich ja den Nachsorgetermin bei meiner Frauenärztin und kurz darauf im Kinderwunschzentrum. Ich habe einen Streifen der Pille bekommen, um meinen Zyklus wieder einzupegeln. Morgen ist bereits der zehnte Zyklustag und wir haben wieder einen Termin im Kinderwunschzentrum. Wenn wir ganz großes Glück haben und der Ultraschall morgen zeigt, dass mein Körper wieder bereit wäre für einen nächsten Versuch, dann wäre es möglich, dass dieser schon nächste Woche starten könnte. Für mich wäre das etwas sehr Besonderes, da Johanns eigentlicher Geburtstermin nächste Woche wäre und ich somit vielleicht die Chance haben werde, an diesem Tag (in dieser Woche) nicht nur die Trauer zu sehen, sondern auch die Hoffnung. 

6 Kommentare:

  1. Ich wünsch Euch alles Gute, für den Termin und natürlich auch sonst!

    Dein Bericht v.a. zu der Familienfeier hat mich unglaublich wütend gemacht und ich hoffe, dass die entsprechende Dame ihn gelesen hat oder bzw. und noch besser, dass Deine Schwägerin ihr ins Gewissen geredet hat, da geht mir echt der Hut hoch bei so unsensiblen Leuten.
    Dass Du Dich nicht mehr um die kümmern kannst als mit so einer Erklärung hier oder wonach auch immer Dir ist, ist doch total klar, wenn jemand einen Grund für Egoismus hat, dann ja wohl jemand in Eurer Situation, last Euch da kein schlechtes Gewissen machen und macht Euch auch selber kein schlechtes Gewissen.
    Dass dieser Schicksalsschlag, der Euch getroffen hat, auch denen, die um Euch rum sind, Sachen gezeigt hat, die die meisten Nenschen bevorzugt verdrängen, sollte wirklich nicht Eurer Problem sein...

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    1. Danke! Meine Wut ist inzwischen etwas abgeflacht, aber ich merke auch, dass sie schnell zurück kommt, wenn ich mich wieder in die Situation hineindenke. Ich hoffe einfach, dass sowas nie wieder passiert und/oder dass ich mir da mit der Zeit ein dickeres Fell zulegen kann, denn unsensible Menschen wird es wohl immer geben.

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  2. Auch von mir alles Gute! Es ist Dein Blog - Du entscheidest was reinkommt - und wer Deine Wut nicht lesen möchte, braucht es auch nicht zu tun. Ich wünsche Euch von Herzen, dass Dein Körper wieder bereit ist für einen weiteren Versuch!!!

    Ich bin froh, dass es jemand wie Dich gibt, der offen schreibt was ihn bewegt. Zwei meiner Freundinnen wünschen sich ebenfalls seit Jahren nichts sehnlicher als ein Kind, und oft weiß ich einfach nicht was ich sagen soll und wünschte, dass ich etwas tun könnte, für sie da sein könnte - sie wohnen auch noch beide hunderte Kilometer entfernt. Deinen Blog zu lesen macht mir Mut, das Thema den Freundinnen gegenüber nicht zu verschweigen und gibt mir Rat, wann und dass ich fragen darf und wie ich mich verhalten sollte, wenn sie verzweifelt sind weil es fehlgeschlagen ist. --- Ich hoffe dass es ok ist, dass ich das so schreibe.

    Danke Dir für Deine Offenheit.

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    1. Danke! Ich finde es schön zu hören, dass ich auch ein bisschen helfen kann und ich glaube, du bist eine tolle Freundin, wenn du dir so viele Gedanken darum machst, deinen Freundinnen in dieser Situation zu helfen! Alles Gute für dich und deine Freundinnen!

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  3. Ganz schwieirg. Ich finde man darf die eigene Wut haben. Aber die anderen sind gerade glücklich. Dafür können sie genauso wenig wie für dein Leid.

    Ich kann dich sonst sehr gut verstehen. Ich habe sieben Jahre auf mein persönliches Wunder gewartet und gehofft. Und habe all die geliebten Menschen verflucht, die in dieser Zeit Kinder bekommen haben. Niemand, wirklich niemand kann diese Sehnsucht nachvollziehen.

    Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und viel Glück für alle weiteren Wege !

    Es ist wirklich merkwürdig, dass man so wenig über das Thema Kinderwunsch spricht. Dabei betrifft es so viele. Wir haben nie ein Paar doppelt getroffen im Kinderwunschzentrum.

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    1. Vielen Dank! :)

      Hm ja, ich sag ja auch nicht, dass andere nicht glücklich sein dürfen. Aber ich finde, dass man in manchen Situationen mal kurz sein persönliches Glück zurückstellen kann. Wer glücklich ist, sollte die Kraft dazu haben, andere nicht noch unglücklicher zu machen.

      Ja, es ist wirklich erstaunlich, wie viele es betrifft und mir geht es auch so, dass ich im Kinderwunschzentrum denke, dass man das ein oder andere Paar schonmal gesehen haben müsste, aber es sind immer andere und das Wartezimmer ist immer voll. Das ist schon heftig. Und ich bin dafür, dass man damit viel offener umgeht, weil es in Zukunft wohl doch eher mehr als weniger wird.

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