Mittwoch, 11. November 2015

Kleiner Rumpelwicht,

heute wäre dein Tag gewesen. Ungefähr. Vielleicht wärst du auch schon seit ein paar Tagen bei uns oder würdest noch auf dich warten lassen. Aber ich weiß es nicht, also wird es für uns immer der 11.11. bleiben. Und anstatt dich im Arm zu halten, sitz ich im Wartezimmer des Kinderwunschzentrums und hoffe, dass mir dieser Tag doch ein kleines bisschen Glück bringt und wir grünes Licht bekommen für einen nächsten Versuch. 

Ich lag in den letzten Wochen oft nachts wach und habe nach Worten gesucht, die das Gefühl beschreiben, sein Kind zu verlieren noch bevor es überhaupt eine Chance auf ein richtiges Leben hatte. Es ist ungefähr so, als hätte man mir ein lebenswichtiges Organ entnommen und es durch einen tonnenschweren schwarzen Klumpen ersetzt, aus dem ab und zu tausende Rasierklingen rausschießen. Er macht mich gleichzeitig schwer und leer. Und weil das Organ lebenswichtig war, warte ich irgendwie darauf, dass es irgendwann nicht mehr geht, dass es vorbei ist, dass ich nicht mehr leben kann, weil das die logische Konsequenz wäre. 

Aber ich lebe. Und ich versuche mich irgendwie da durch zu wurschteln. Mal geht es besser und mal schlechter. 

Vor wenigen Tagen hat eine Freundin nach einem Foto von Johann gefragt, sie hätte gern eins für Ihre Fotowand. Ich hab gesagt: "Klar, gerne, das ist lieb!" Und sie antwortete mit einer Selbstverständlichkeit: "Na klar, ich hab dort Fotos von allen Kindern, Johann gehört doch mit dazu!" Das war so schön, dass mir direkt wieder die Tränen kommen, wenn ich drüber nachdenke.

Ja, Johann, du gehörst mit dazu. Für immer! Ich werde mir jeden Tag vorstellen, wie es wäre, wärst du bei uns. Wie du uns zum Lachen bringen würdest, uns um den Schlaf bringen (okay, das machst du auch so ziemlich gut), unsere und deine eigenen Grenzen austesten würdest. 

Letztens bin ich im Garten ausgerutscht und hingefallen. Ich konnte dich kichern hören. Das war schön! 

13 Kommentare:

  1. Ich wünsche dir ein kleines bisschen Glück und noch viel mehr!

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  2. Ich drück fest die Daumen dafür, dass ihr zu Johanns eigentlichem Geburtstag grünes Licht bekommt!

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  3. Ich verfolge deinen Blog nun schon länger still und leise und habe beim Lesen regelmäßig Tränen in den Augen. Es ist wunderschön zu hören, dass der kleine Johann auch bei deiner Freundin immer einen Platz bei den anderen Kindern hat. Ich denke oft an Euch (auch wenn ich euch nicht kenne) oder an Johann, leider musste er zu früh gehen, bevor sein Leben wirklich beginnen konnte. Doch hat er sich bei ganz vielen Menschen ins Herz gekämpft und wird niemals vergessen.
    Ich drücke Euch die Daumen, dass ihr bald einen neuen Versuch starten dürft!

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  4. Meine Liebe, wir kennen uns nicht und dennoch weiß ich genau, wie sich anfühlt, was Du beschreibst. Denn ich habe es ähnlich erlebt. Zum ersten Mal vor 14 Jahren, danach haben wir vielfach versucht schwanger zu werden - keiner hat eine wirkliche Erklärung dafür, warum es nicht klappt. Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir ohne Kinder leben wollen oder ob es eine Option ist, andere Wege zu gehen... Nach einem fast einjährigen Adoptionsverfahren erhielten wir die Zulassung zur Adoption. Ich habe die Wartezeit oft als Schwangerschaft auf unbestimmte Zeit bezeichnet. Nach vier Monaten kam ein Anruf, da wäre ein einjähriges Mädchen, für das wir als Eltern in Frage kämen... das war im November und Weihnachten waren wir schon zu dritt. Mit Hilfe von Freunden und Familien zauberten wir fast über Nacht alles herbei - von Kindersitz bis Kinderzimmer.

    Trotzdem war in mir der Wunsch eine halbe Fußballmannschaft zu haben nicht ganz erloschen. Dennoch haben wir die Bemühungen nicht mehr so intensiv fortgeführt, da unser Mädchen uns ordentlich auf Trab hielt.
    2007 geschah es ganz von selbst - ich war schwanger. Bis zum Ende des 5 Monats, durch einen Unfall starb das Baby und um nicht zu Verbluten wurde ich mitten in der Nacht notoperiert. Für mich blieb die Welt stehen. Zwei Wochen später erzählte meine Schwester, dass sie schwanger ist. Meine Tochter wäre einen Monat älter als mein Neffe. Es viel mir sehr schwer, mich aufs Tantewerden zu freuen. Ein halbes Jahr lang habe ich kämpfen müssen, um in die Normalität zurückzufinden und für mein großes Mädchen, die Mutter zu sein, die sie braucht. Jedes Jahr im November, wenn die Zeit von Laras Geburtstermin ran ist, stelle ich mir viel Fragen: Wie sie wohl jetzt wäre? Ob sich die Mädchen geliebt hätten wie Schwestern? Ob es ihr gut geht?

    Ich liebe meinen Neffen und habe meinen Frieden gemacht, in dem ich mir für Lara einen wunderschönen Schmetterling tätowieren ließ - so trage ich sie immer bei mir. Es hat mir geholfen, zu verarbeiten - auch wenn meine Umwelt herzlich wenig Verständnis dafür hat. Und zwei Jahre später kam ein Tattoo für meine große Tochter hinzu - eine Lilie für das Erblühen meines Mädchens - sie wird bald 15 und ist mein ganzer Stolz.

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    1. Es tut mir sehr leid, dass du auch diesen Schmerz erfahren musstest! Wir hatten ja auch schonmal das Verfahren für ein Pflegekind am Laufen, dann bin ich allerdings schwanger geworden und wir haben das erstmal auf Eis gelegt. Adoption/Pflege wäre für uns aber auch eine Alternative. (Wenn wir alles andere ausprobiert hätten und es wirklich nicht klappen sollte.) Es ist schön zu hören, dass du deinen Frieden gemacht hast und deine Große ein fester Bestandteil deiner Familie ist!

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  5. Ich kann dich so gut verstehen. Mir ging es vor 7 Jahren ähnlich. Ich war im achten Monat. Aus heiterem Himmel war kein Herzschlag mehr! Nach der stillen Geburt war erstmal kein Gefühl in mir. Nach dem langsamen Realisieren war es richtig schlimm. So ein unendlicher und unbeschreiblicher Schmerz. Jeder Kinderwagen, jede Schwangere auf der Straße haben Stiche im Herzen verursacht! Jede Nachricht über von Müttern getöteten Babys brauchten soviel unendliche Wut auf die Mutter, auf Gott und die Welt. I.wann hat der Schmerz nach gelassen, aber die Leere die mein Baby hinterlassen hat,wird immer bleiben.
    Ich drück dir die Daumen, das es bei einer erneuten Schwangerschaft alles gut geht!!!

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    1. Das tut mir sehr leid! Es erschreckt mich immer wieder, wie oft das doch passiert. Gerade ging ja auch wieder was durch die Presse mit acht Babyleichen. Da fragt man sich schon manchmal, was man eigentlich verbrochen hat, dass man das eigene Baby gehen lassen muss und andere gesunde Kinder töten. Aber ich versuche solche Sachen nicht so an mich ranzulassen, weil ich wüsste, dass mich das kaputt macht. Gab es bei dir denn ein "happy end"?

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  6. Hallo, ich habe gestern den Link zu deinem Blog von einer Freundin geschickt bekommen mit der ich das gleiche Schicksal teile...seit Jahren ein unerfüllter Kinderwunsch. Ich konnte mein Handy beim lesen gar nicht mehr aus der Hand legen, du wirkst auf mich so vertraut, so unglaublich Ehrlich und wirklich sehr Stark!! Deine ersten Blogeinträge haben mich richtig schmunzeln lassen, Du schreibst ganz wundervoll/Humorvoll. (Würdest du ein Buch verfassen, ich würde es sofort kaufen!) Leider sind kurze Zeit später Tränen über meine Wange gekullert...! Das du deine Geschichte öffentlich machst finde ich prima! Kinderlosigkeit ist keine Krankheit, deshalb sollte darüber offen und ehrlich geredet werden.

    Ich hoffe du hälst uns auf dem laufenden wie es bei euch weiter geht. Ich drück dir alle Daumen!! LG Doreen

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    1. Liebe Doreen! Vielen Dank für deine lieben Worte! Ich habe mich auch lange darüber geärgert, dass niemand darüber spricht, oder man sich eben nur unter "Gleichgesinnten" austauscht, weil man sich sonst nicht traut, das Thema anzusprechen. Manchmal hat mich das richtig wütend gemacht und irgendwann musste es dann raus, so ist der Blog entstanden. Ich glaube nämlich schon, dass sich viele dafür interessieren, auch die die nicht selbst betroffen sind. Dass es viele Fragen gibt, die man sich nicht traut zu stellen, über die es aber wichtig wäre zu reden.

      Ich wünsche dir und deiner Freundin alles alles Liebe und drücke euch ebenfalls die Daumen!

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  7. Für mich ist der 11.11 auch ein schmerzvolles Datum.Ich musste an dieserm Tag im letzten Jahr mein Kind gehen lassen.Nun hoffe ich dass ganz bald wieder zwei Herzen in mir schlagen.
    Und euch drück ich ebenso die Daumen.

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