Viel ist ja nicht geblieben an Erinnerungen. Und das Problem, was ich mit den wenigen Erinnerungen habe, ist, dass ich sie nicht zusammenfügen kann zu einem Bild von unserem Sohn.
Einerseits wären da die Ultraschallbilder und Videosequenzen. Je nachdem aus welcher Schwangerschaftswoche die stammen, sieht Johann da mehr oder weniger aus, wie ein Alien. Auf den Aktuellsten, etwas verschwommen, dann doch wie ein richtiges Baby, mit einem süßen Gesicht, dass eine Schnute zieht. Auf den Videos bewegt er sich, spielt mit der Nabelschnur und steckt seine Füße in den Mund. Er lebt.
Die zweite Seite, die ich von Johann kennenlernen durfte, ist die als "Bauchbewohner". Ich mag das Wort nicht, aber das beschreibt es nun mal am Besten. Trotz der vielen Ultraschallaufnahmen hatte Johann in meinem Bauch nie ein Gesicht für mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er wirklich aussah und habe schon während der Schwangerschaft nicht wirklich begriffen, dass das Baby auf den Bildern auch das in meinem Bauch ist. Davon abgesehen, dass ich eh nicht wusste, wie genau diese Aufnahmen sind. Das war mir auch nicht wichtig. Wichtig war, er hat sich bewegt, hat auf uns reagiert, konnte manche Dinge gut leiden (Vorlesen) und manche Dinge gar nicht (wenn ich auf der rechten Seite lag, das CTG). Und er war frech, das war mir klar, denn er war ja unser Junge. Irgendwie war es ein erstes Kennenlernen. Eine Art Blind Date, bei dem man schon vor dem ersten Aufeinandertreffen weiß: Der ist es!
Als Johann auf die Welt kam, ist das dritte Bild von ihm entstanden. Er sah ganz anders aus, als ich dachte, viel unfertiger als auf den eine Woche alten Ultraschallbildern. Dünner. Leblos. Schön war er dennoch, keine Frage. Ich hab versucht, alles aufzusaugen. Im Nachhinein ärgere ich mich über ein paar Dinge. Dass ich mich nicht getraut habe, ihn aus dem Körbchen zu nehmen, auszuziehen und richtig zu bestaunen und im Arm zu halten. Er lag nie nackt auf meiner Brust, es war immer etwas dazwischen. Die Begründung kommt mir inzwischen sehr lächerlich vor: Ich hatte Angst, etwas kaputt zu machen, ihm wehzutun. Angst, dass er frieren könnte, wenn ich ihn ausziehe. Das Einzige, was mir so richtig in Erinnerung geblieben ist, was sich förmlich eingebrannt hat (und hoffentlich für immer bleibt), ist seine kleine, weiche, kühle Hand in meiner. Mit winzig kleinen Fingernägeln und kleinen Fältchen, die ich fühlen konnte, als ich sie geküsst habe. Und obwohl er direkt vor mir lag, hat er schon gefehlt. Er war da und war gleichzeitig nicht da. Ich wollte ihn festhalten und niemals wieder loslassen, obwohl er längst woanders war. Er und die ganze Situation waren ganz anders, als ich sie mir vorher vorgestellt habe.
Die vielen Fotos, die an dem Tag entstanden sind, sind eine visuelle Erinnerung. Sie kommen dem am nächsten, was wir am Tag von Johanns Geburt gesehen und erlebt haben. Wenn ich ihn darauf sehe, überkommt mich immer sofort das Bedürfnis, ihn zwischen Nasenflügel und Auge zu Küssen. Ich weiß nicht warum ausgerechnet an der Stelle, vielleicht liegt es an der Perpektive mancher Fotos. Manchmal entdecke ich Neues auf den Bildern. Manchmal sieht er müde aus, manchmal lächelt er und manchmal sieht er aus, als hätte er gerade etwas ausgeheckt. Dabei weiß ich, dass er eigentlich gar keinen Gesichtausdruck haben kann. Ich weiß gar nicht, wie er ausgesehen hätte, hätte er gelächelt, wäre er müde oder schelmisch gewesen.
All diese Bilder und Vorstellungen bekomme ich nicht zusammen zu einem Bild, einem Eindruck von Johann. Entweder lebt er und ich seh ihn nur verschwommen oder gar nicht, oder er ist tot und sieht aus, wie er aussieht. Irgendwas fühlt sich an den Erinnerungen immer falsch an. Woran soll ich mich also erinnern?
...Das hast du so was von herzzerreißend geschrieben, das mir die Tränen nur so kullern.. Ich kann es nur erahnen wie ihr euch fühlen müsst und selbst das kommt wahrscheinlich nicht an dieses starke Gefühl heran..Ich denke an euch, an euren rumpelwicht. 🙏 immerzu.
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